Arbeitsschule Ilsfeld

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 42 vom 15. Okt. 2020

 

Der Ilsfelder Heimatverein hat eine sehr schöne Stickarbeit erhalten, die ein Mädchen, deren Vor- und Familiennamen mit den Buchstaben „L. L.“ beginnen 1896 in der Arbeitsschule in Ilsfeld angefertigt hat. Herr Dr. Winkler hat das seltene Stück von Wilhelm Eberle aus Konstanz-Litzelstetten bekommen und dem Ilsfelder Heimatverein für das Museum überlassen.

 

Wilhelm Eberle ist ein Enkel der 1890 geborenen Friederike Walliser geb. Müller. Der Vater von Friederike war Gottlob Müller (1863-1920), den man den Kutscher-Müller nannte, weil er mit seiner Kutsche den Arzt und den Tierarzt zu auswärtigen Diensten fuhr.

 

 

Wir danken Herrn Dr. Winkler herzlich für das kostbare Kunstwerk, es wird im Museum im Alten Lehrerwohnhaus einen würdigen Platz erhalten.

Stickarbeit – angefertigt von L.L. 1896 in der Arbeitsschule Ilsfeld

Aufnahme: Horst Meyer

 

Die Namen der meist 14-jährigen Jungen und Mädchen des Ortes findet man im Konfirmandenregister. Die Konfirmation  wurde 1723 eingeführt und setzte sich schnell durch. Die Namen der Söhne und Töchter, die an einem Sonntag nach Ostern konfirmiert wurden, hat der Ortspfarrer im Konfirmandenregister zusammen mit dem Geburtsdatum, dem Datum der Taufe und den Namen der Eltern eingetragen.

Da in Ilsfeld fast ausschließlich Evangelische lebten, gibt das Konfirmandenregister zuverlässig Auskunft über die Zahl der Mädchen und Jungen eines Altersjahrgangs.

 

Am 15. April 1894, am Sonntag Jubilate, wurden 30 Söhne und 38 Töchter konfirmiert; Ilsfeld hatte ungefähr 2 000 Einwohner.

Auf die Namen von drei Mädchen passen die Anfangsbuchstaben L. L.

 

Luise Friederike Lutz

geb.: 9. April 1880

Eltern: Jakob Friedrich Lutz, Bauer

            Luise Friederike geb. Obenland

 

Luise Pauline Leidig

geb.: 2. Juni 1880

Eltern: Karl Wilhelm Leidig, Bäcker und Wirt

            Karoline Luise geb. Aldinger

 

Luise Lust

geb.: 16. September 1880

Eltern: Johann Jakob Lust, Bauer

            Luise Friederike geb. Bader

 

Mit einiger Sicherheit kann gesagt werden, dass eines der drei Mädchen 1896 im Alter von 16 Jahren die wertvolle Stickarbeit angefertigt hat.

 

 

Die Arbeitsschule

 

Nach der Konfirmation endete die Schulzeit in der Volksschule. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Aufbau eines beruflichen Schulwesens im Königreich Württemberg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, für die der aus Ilsfeld stammende Ferdinand von Steinbeis verantwortlich war, wurden Fortbildungsschulen eingerichtet, um den Anforderungen der sich wandelnden Arbeitswelt gerechter zu werden.

Die Arbeitsschule war in der Regel eine Winterschule, die um Martini (11. November) begann. Die Mädchen erwarben Grundkenntnisse und Fertigkeiten in verschiedenen Bereichen, wie in Textilarbeiten und Arbeiten mit Stroh und Papier. Neben der praktischen Ausbildung wurde auch das in der Volksschule erworbene Allgemeinwissen erweitert und vertieft. Verantwortlich für die Arbeitsschule in Ilsfeld war der Ortsschulrat, dem der Schultheiß, der Pfarrer, Lehrer der Volksschule und angesehene Männer der Gemeinde angehörten. Der Pfarrer war Vorsitzender, er führte das Protokoll. Das Protokoll gibt auch Auskunft über die Fertigkeiten, die vermittelt werden sollten. Am 6. November 1876 –  20 Jahre bevor die Stickarbeit entstand – bestimmten wohl Strickarbeiten den Unterricht, denn die Verantwortlichen des Ortsschulrats wünschten, dass die Mädchen nicht nur im Stricken, sondern auch im Nähen unterwiesen werden sollen.

 

 

Walter Conrad, M. Braun


August Blind - Lebenserinnerungen aus meiner Jugendzeit

Ilsfelder Nachrichten Ausgaben Nr. 28-31 vom 09./16./23./30. Juli 2020 und Nr. 44 – 50 am 29.10./ 05.11/ 12.11/19.11./26.11./03.12./10.12.2020

 

 

Mechaniker-Meister August Blind hat freundlicherweise seine „Erinnerungen aus der Jugendzeit“ aufgeschrieben. Kaum eine Generation hat so viel erlebt wie die Jahrgänge, die Anfang 1900 geboren wurden, als Kinder noch die Zeit der Kaiser und Könige, dann den 1. Weltkrieg, als Jugendliche oder junge Erwachsene, die Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre, dann den 2. Weltkrieg, die Nachkriegsjahre und die Wirtschaftswunderjahre. Es ist daher kein Wunder, dass diese Erinnerungen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben und sehr umfangreich sind. 

Viele Erinnerungen hat August Blind in einem 33-seitigen Manuskript zusammengetragen und der Nachwelt hinterlassen. Wir werden daraus Teile veröffentlichen, sein Sohn Alfred Blind hat uns das Manuskript und Bilder zur Verfügung gestellt und die Genehmigung für die Veröffentlichung erteilt.

Vielen ist August Blind noch persönlich bekannt durch die Aral-Tankstelle und die Autowerkstatt in der König-Wilhelm-Straße.

 

August Blind berichtet:

Teil 1: Die Kindheit

Also, ich wurde am 17. Jan. 1905 im Haus von Feuerwehr-Hauptmann G. Kreh geboren, da mein Elternhaus beim Großen Brand August 1904 abgebrannt war. Wir waren im Ganzen neun Geschwister.

Meine Eltern hatten ein hartes Los uns 9 Kinder großzuziehen, denn damals gab’s noch kein Kindergeld. Mein Vater ging 28 Jahre im Winter in den Wald für 2,20 Mark später für 2,40 Mark am Tage. Im Sommer und Frühjahr zwickte und pfählte er den Weinberg von Schultheiß Theurer in der Steinhälde, ebenso für den Mühlenbesitzer Decker in der Klee sowie den Weinberg von Frau Keppler im hinteren Rappen. In der Ernte schnitten meine Eltern mit Haberrechen und Sichel ganze Äcker im Taglohn. Wir Kinder mussten die gebrochenen Ähren auflesen. Damals wurde fast lauter Dinkel angebaut, welcher Rispen hatte, die leicht abbrachen. Erst später wurde Weizen angebaut, deren Ähren nicht so leicht abbrachen. Mir denkt noch, dass meine Schwestern Amalie und Sophie und ich so viel Dinkel, Gerste und Roggen aufgelesen haben, dass es zweimal zum Mahlen reichte. Wir hatten 3-4 Stück Vieh und unsere Mutter trug oft im Grastuch Disteln und Gras fürs Vieh nach Hause. Wir wurden hart erzogen. Morgens gab es Brot- oder Grieß-Suppe, sonntags bettelten wir Mutter an: Mach doch auch einmal Kaffee, natürlich nur aus gerösteter Gerste und Zichorie. Meine Eltern bauten auch Mohn an und da in Ilsfeld damals keine Ölmühle war, musste man nach Grossbottwar zum Ölschlagen. Ebenso baute man damals Erbsen, Linsen und Kümmel an. Man muss aber noch etwas gestehen: Wenn ich für mein trockenes Brot etwas haben wollte, stahl ich meiner Mutter aus ihrem steinernen Hafen Süßrahm, welchen sie sammelte und im Butterfass zu Butter rührte.

Aber nun möchte ich auch einen unserer Jugendstreiche erzählen. Es war während des ersten Weltkriegs , wir waren ungefähr 12-13 Jahre alt, und im ersten Weltkrieg waren im Rößle-Saal gefangene Franzosen untergebracht, die tagsüber bei den Bauern arbeiten mussten und nachts im Saal eingesperrt waren. Der Rösslewirt hatte 3 Söhne, einer davon war so alt wie ich. Wir und ein paar weitere Schulkameraden hatten die Idee, den Franzosen doch ein paar Schnecken zu bringen, da bekannt war, dass diese gerne Schnecken essen. Auf der Südseite vom Durstlichwald hatte ein Ilsfelder Bürger einen Weinberg angelegt, dort sammelten wir ein Säckle voll Weinbergschnecken und brachten diese den Franzosen. Diese wollten aber keine Schnecken mehr haben, also schmissen wir das ganze Säckle in die Miste, welche direkt an das Lokal angrenzte. Am Morgen, als der Rössle-Wirt auf seiner Staffel stand, musste er feststellen, dass die Schnecken ihn vom Dachfürst begrüßten. Doch der Ärger war danach groß, denn zuvor hatte er das Haus frisch anstreichen lassen.

 

Teil 2: Die Schul- und Lehrzeit

Doch zurück zu unserer 7-jährigen Schulzeit, in der hatten wir 4 Lehrer. Einer hieß Zeininger, der fiel im 1. Weltkrieg, der Zweite hieß Wurster, der hatte oft Durst, der Dritte hieß Lell, er war ein Bauernsohn aus Lauffen. Dieser hatte 2 Weinberge, die er selbst bewirtschaftete und einen schönen großen Garten, in welchem er viel Edelobst hatte. Der vierte Lehrer war Oberlehrer Gronbach, der hatte die siebte Klasse, bei dem ging ich am liebsten in die Schule, denn er war sehr korrekt und machte keinen Unterschied zwischen arm und reich.

Im Unterricht war sein Steckenpferd das Kopfrechnen, damit das Gehirn angestrengt wird. Bei der Schulentlassung gab er uns auf den Lebensweg mit: „Kinder, nicht der ist reich, welcher in ein großes Vermögen hineingesetzt wird, sondern der, der viel weiß!“

 

Ich kam dann zum Mechanikermeister Josef Steinbacher in die Lehre, er war ein sehr korrekter Mann. Wir reparierten alte Futterschneidmaschinen, Dreschmaschinen, Pumpen für Wasserbrunnen und Güllepumpen. Während meiner Lehrzeit bohrte ich 5 Wasserbrunnen und setzte die Pumpen auch ein. Später kamen dann die Wasserleitungen auf, bei denen wir Gussrohre verlegten. Unsere Arbeitszeit begann im Sommer um 6 Uhr, im Winter um 7 Uhr und endete abends um 8 Uhr. Um 8 Uhr kniete der August nieder und las aus dem zusammengekehrten Dreck verirrte Schräubchen oder Scheiben auf. Mittagspause machten wir eine Stunde, jeweils eine viertel Stunde Vesper morgens und nachmittags. Das alles bei guter Bezahlung, im 1. Jahr  eine Mark die Woche, im 2. Jahr zwei Mark und im 3. Jahr drei Mark. Das reichte gerade als Fahrgeld für die Gewerbeschule. Kost und Logis hatte ich zu Hause. Als ich mein Gesellenstück machte, musste ich das Material zum Teil auf dem Alteisenhaufen zusammensuchen. Meine Gesellenprüfung legte ich in Besigheim ab.

 

Damals herrschte ein großer Metallarbeiterstreik. Um eine neue Stelle zu suchen, fuhr ich nun nach Heilbronn und klopfte alles ab vom Salzwerk bis Sontheim und begann dann bei einer Firma Pfeifer als Dreher. Von Herrn Pfeifer habe ich viel gelernt. Wir Dreher mussten unsere Stähle noch selbst anfertigen und härten. Es wurde viel Messing, Rotguss, Aluminium, Eisen, Stahl und Guss bearbeitet. Der Maschinenpark war bei der Firma Pfeiffer für die damalige Zeit gut ausgerüstet. Es gab auch zwei große Härteöfen, welche für die Zahn- und Kettenräder benötigt wurden.

Durch meinen leidenschaftlichen Turnsport hatte ich im Betrieb viele Kameraden, die meisten kamen aus Sontheim und Böckingen. So drückten wir während der Mittagspause öfter einen Handstand. Wegen der Geldentwertung gab es zweimal Geld in der Woche. In dieser Zeit wurden viele Leute arbeitslos. Als dann die Goldmark (GM) kam (1 Billion Mark = 1 GM), ging ich zur Firma Weissert und Schweizer, sie fabrizierte leichte Drehbänke. Als ich eingearbeitet war, wollten sie meinen Akkord um 20% kürzen.

August Blind - Handstand auf dem Motorrad

 

Da hörte ich auf und ging für kurze Zeit zurück zur Firma Pfeiffer nach Sontheim. Eines Tages kam mein Neffe Christian Mattheis zu mir und frage mich, ob ich nicht bei Auto-Laicher als Reparatur-Dreher anfangen möchte. Also fing ich 1925 bei der Firma Auto-Laicher an.

Den ersten Mercedes-LKW mit Hinterachsen, welcher ein Ausgleichsgetriebe hatte, reparierte ich in Finsterrot. 1928 reparierte ich zum ersten Mal einen Lancia mit V-Motor mit 4-Zylinder, dieser gehörte einem Heilbonner Bürger namens Rappold, das Auto hatte einen Motorschaden. Zu dieser Zeit kam auch der Opel Laubfrosch auf den Markt.

Am 22. Dez. 1928 heiratete ich meine Frau Lina, geb. Jung. Von da an wurde richtig gespart. Wir zogen in eine Wohnung bei Wilhelm Lauterwasser in der Bahnhofstraße. Es waren recht gute Leute, bei denen wir Eier, Milch und Butter im Haus haben konnten. 1929 kam dann unsere Lucie auf die Welt.

1930/1931 machte ich die Meisterprüfung, mein Meisterstück machte ich bei der Firma Laicher. Damals wurden zum ersten Mal KFZ-Handwerker geprüft, ich war damals der Jüngste von 10 Prüflingen und wir mussten dreißig Fragen beantworten.

Von 1931 – 1933 kam eine schlimme Zeit für das Reparaturgewerbe. Sogar die NSU stand vor dem Ruin und in ganz Deutschland gab es ein Millionenheer von Arbeitslosen. Ich wechselte zu einer Firma namens Mauck BMW-Vertretung. Aber die Firma konnte schon bald keinen Lohn mehr bezahlen.

 

Teil 3 – Schritt in die Selbstständigkeit

Meine Frau war stark ablehnend ein eigenes Geschäft anzufangen, weil sie aus einem Geschäftshaus (Glaserei Jung) kam. Aber 1933 kauften wir dann in Ilsfeld ein Bauernhaus mit Scheune, doch nur zwei Drittel davon, das andere Drittel gehörte dem Landwirt August Streicher.

1934 bauten wir aus der Wagnerwerkstatt eine moderne Werkstatt mit Montagegrube und Laufkatze, so dass ich Lastwagen und Omnibusse darin reparieren konnte.

 

Als ich 1930/31 meine Meisterprüfung bei der Handwerkskammer Heilbronn machte, meldete ich mein Geschäft an.

Genehmigungsurkunde für Bausachen von 1933

Auszug aus den Allg. Vorschriften für die Errichtung von Werkstätten aus dem Jahr 1925

In Ilsfeld gab es damals noch keine Auto-Reparaturwerkstatt. Drei Ilsfelder Handwerker wollten mir das Handwerk legen und gingen auf das Rathaus um sich zu beschweren, obwohl keiner der Dreien jemals etwas mit Autos oder Motorrädern zu tun gehabt hatte. Bürgermeister Heinrich erklärte ihnen aber: Der Blind ist seit 1930 in der Handwerksrolle eingetragen und hat seine Meisterprüfung ordnungsgemäß abgelegt. Eine Frau von diesen Dreien hatte noch gesagt, ich möchte wissen, von was der Blind leben will. Es war bestimmt kein Schleckhafen, in dieser Zeit unter solchen Bedingungen ein Geschäft anzufangen. 

Allerdings wurde bald die Autobahn gebaut und dann die Straße von Löwenstein nach Schwäbisch Hall und dadurch wurde das Geschäft mit den LKWs immer mehr. Zudem gab es in Ilsfeld zwei Schotterwerke mit Steinbrüchen, die LKW mit Kipper fuhren, an denen vieles kaputt ging und weitere Kundschaft hatte ich aus den Nachbargemeinden Beilstein, Oberstenfeld, Gronau und Großbottwar mit LKW und Omnibussen.

Die Werkstatt in der König-Wilhelm-Str.

 

1934 war ich einer der sieben Gründungsmitglieder der „Kfz-Handwerker Innung Heilbronn“.

1934 wurde dann unsere Tochter Leni geboren und im Jan. 1938 kam unser Stammhalter Alfred zur Welt, an diese Nacht erinnere ich mich noch genau. Um 12 Uhr nachts kam der Fernfahrer Wilhelm Müller mit seinem Büsing-LKW zu uns in die Werkstatt, an dem Fahrzeug war die Hinterachse kaputt. Der Fahrer verlangte, ich soll schnell anfangen die Achse auszubauen, was ich verneinte und ihm erklärte, ich müsse zuerst meine Frau in die Hebammenschule nach Stuttgart bringen, sie hatte schon alles gerichtet. Da sagte mir dieser wörtlich: „Da kann auch ein anderer fahren“. Als ich dann gegen halb 3 Uhr zurück kam , fingen wir an die Achse auszubauen und die Teile zu reinigen, sodass er am Morgen nach Mannheim fahren konnte um die Ersatzteile zu holen um dann die Hinterachse zusammenzubauen und wieder einbauen zu können. Wenn ich heute so darüber nachdenke, muss ich sagen es war hart, ein eigenes Geschäft anzufangen und auch immer mit großem Risiko verbunden.

 

Teil 4 – Die Leidenschaft zum Turnsport

Nun möchte ich auch noch über die Ilsfelder Turngeschichte schreiben. Als wir zwischen 13 und 14 Jahre alt waren, stand hinter der alten Schule ein Bretterschuppen. Im Inneren war ein Lehmboden. Darin stand ein Standreck, das bestand aus 2 dicken Balken, daran wurde die Reckstange durchgeschoben, des Weiteren gab es einen Barren, ein Pferd, ein paar Hanteln und Kugeln. Unter dem Reck war eine Grube, welche mit Lohe aus einer Ilsfelder Gerberei ausgefüllt war. Im Jahr 1923, als die Arbeitslosigkeit sehr hoch war, stand ein Turnhallen-Neubau zur Debatte. Etliche ältere Mitglieder wie Fritz Fischer, Zimmermeister, Gottlob Jung, Glasermeister, Kronenwirt Jokob Röhrich sowie einige  jüngere Mitglieder verhandelten mit Gipsermeister Bay über den Bauplatz, an dem heute noch die Halle in der Bahnhofstrasse steht. Im Gegenzug mussten ihm die Mitglieder einen Acker geben.

Die Turnhalle wurde in viel Eigenleistung erstellt, angefangen vom Ausgraben des Sockels, für den Kalksteine vom Steinbruch verwendet wurden. Der ganze Schotter wurde von Hand mit Schlägeln geschlagen. Bauern, die ein Pferdegespann besaßen, holten bei den Heilbronner- und Sontheimer Firmen, wie Knorr, Flammer, Brauereien und Zwirnereien Schlacken, woraus wir Schlackenbeton machten. Nach mühevoller Arbeit war die Halle bald einzugsfertig. Die Abrechnung ergab, dass Kosten in Höhe von nur 5.000 Mark für den Bau entstanden sind. Einen Zuschuss von der Gemeinde gab es nicht. Der Verein hatte damals 100-120 Mitglieder, so wurde beschlossen, dass jedes Mitglied 10 Mark zahlen sollte.

Einigen Mitgliedern war das zu viel und sie verließen den Verein. 

Um die Schulden abzutragen, machten wir jedes Jahr eine Weihnachts-, Frühjahrs- und Herbstfeier und im Mai ein Waldfest, so wurden die Schulden ohne Zuschuss eines Pfennigs der Gemeinde abgetragen. Es kam das Jahr 1933 / 1934 als die Turnhalle der ehemaligen Turngemeinde geschlossen wurde, da es eine Aufgliederung in freier Turnverein und Deutscher Turnverein gab. Über die Kriegszeit wurde die Halle als Wagnerwerkstatt benutzt.

August Blind, zweiter von unten

Ilsfelder Turnriege

 

Vor dem Krieg war Ilsfeld eine Hochburg im Geräteturnen. 1934 beim deutschen Turnfest in Stuttgart und 1939 beim Landesturnfest in Ludwigsburg stellten wir je eine Riege, mit der wir sehr gut abschnitten.

 

Am 11. März 1940 kam ich von einer Probefahrt mit einem Omnibus aus Beilstein zurück, da sagte mein Geselle Fritz Schick zu mir: „Meister, da hat der Amtsbote Fritz Schäfer einen Zettel auf den Schraubstock gelegt“. Als ich den Zettel las war ich sehr erstaunt, darauf stand: „Sie haben sich morgen früh auf dem Wehrbezirkskommando in Heilbronn zu melden“.

 

Über die Erlebnisse von August Blind im 2. Weltkrieg werden wir dann zu einem späteren Zeitpunkt in weiteren Fortsetzungen berichten.

 

 

Teil 5 - Einberufung und Frankreicheinsatz

Am 12. März 1940 fuhr ich mit meiner Frau nach Heilbronn und meldete mich auf dem Wehrbezirkskommando. Als ich dort ankam, fragte mich der zuständige Offizier, ob mich unser Bürgermeister nicht informiert hätte und ich meine Sachen gepackt hätte. Ich verneinte dies, dann nahm er das Telefon zur Hand und machte den Bürgermeister Heinrich zur Schnecke, ob er nicht wüsste, dass Krieg sei.

 

Meine Frau und ich fuhren nach Hause, packten meine Sachen und mein lieber Schwager Wilhelm Jung fuhr uns nach Cannstatt und lieferte mich in der Taubenheim-Kaserne ab. Meine Frau nahm auf der Rückfahrt noch LKW-Reifen bei Conti und Dunlop für die Werkstatt mit.

Kaserne in Bad Cannstatt

 

Am anderen Morgen wurde ich dem Stabsarzt vorgeführt, da ich noch nicht gemustert war. Seine ganzen Worte waren: „Kehrt, der Mann ist gesund“, und gleich darauf wurde ich eingekleidet. In Cannstatt hatten wir einen guten Ausbilder und Kamerad, Arthur Zink. Der Einheitsführer vom Fuhrpark war Hauptmann Klaiber, er war vor dem Krieg Leiter des TÜV Stuttgart. Zum großen Teil waren wir selbstständige Automechaniker und Berufskraftfahrer und wurden in Fahrbereitschaften und Wachpersonal eingeteilt. Unser Hauptmann Klaiber war sehr streng, baute einer einen Unfall, bekam er nie wieder einen Lastwagen zum Fahren. Ab Mai 1940 fuhren wir in Kolonnen von 20-30 Fahrzeugen bei Neuenburg über den Rhein nach Frankreich. Oft sah man rauchende Bunker am Rhein entlang. Bei der ersten Fahrt fuhren wir über Mühlhausen nach Belfort. Im Gedächtnis habe ich heute noch die großen eingemeißelten Löwen im Felsengestein der dortigen Felsenfestung und Zitadelle und den guten Kaffee, den ich dort getrunken habe. Es ging weiter nach Dijon, dort brachten wir einer Instandsetzungseinheit Sprit und Ersatzteile.

 

Im September 1940 musste ich nach Paris fahren, ich hatte einen 100er Mercedes-Diesel. Da viele französische Autofirmen dort ihren Sitz hatten, gab es große Ersatzlager in Neuilly nahe Paris, dort musste ich Ersatzteile für die Beutefahrzeuge holen. Bei Renault konnte ich zusehen, wie in Achterreihen Panzer gebaut wurden. Um sich in Paris aufzuhalten, brauchte man eine Genehmigung, diese ging über 20 Tage. Bis ich jedoch meine Ersatzteile und Motoren zusammen hatte, musste diese auf 28 Tage verlängert werden. Während dieser Zeit hatte ich auch Gelegenheit, mir Paris und seine Sehenswürdigkeiten anzusehen. Die Ersatzteile und Motoren musste ich teilweise bei der Instandsetzungskompanie in Dijon abladen, dann ging es wieder zurück. Im Winter 1940/41 musste ich nach Colmar ins Elsass fahren, es gab ein unheimliches Schneetreiben, meterhoch lag der Schnee. 6 km vor Colmar waren meine Batterien leer. Ich fragte einen Bauern nach einer Unterkunft, dieser wollte mir jedoch keine geben, erst auf Zuspruch eines katholischen Pfarrers, der zufällig dazukam, gab mir der Bauer eine Unterkunft. Anfang 1941 war ich viel in Deutschland unterwegs. In Ludwigshafen habe ich zugesehen wie synthetisch Gummi erzeugt wurde und Kohle in Benzin verflüssigt wurde. Hier habe ich den LKW mit Sprit beladen und bin nach Frankreich gefahren.

 

 

 

Teil 6 - Versetzung an die Ostfront Polen und Weißrussland

 

Im Juli 1941 wurden wir in Ulm als Instandsetzungseinheit zusammengestellt und vereidigt.

Es ging über Nürnberg, Hof, Plauen im Vogtland nach Dresden, wo wir zum ersten Mal Halt machten und die schöne Stadt besichtigten. Nach 5-6 Stunden Rast ging es weiter über Görlitz nach Schlesien Richtung Polen bis Warschau. Bereits am Flughafen Warschau hatten wir den ersten Vorgeschmack des Krieges. Hier lagen eine Menge russischer Radarjäger, die nicht mehr zum Einsatz kamen, da sie von der deutschen Luftwaffe zerbombt wurden.

 

In Bialystok, in der Nähe von Warschau wurden wir auf dem Gelände einer Tuchfabrik untergebracht und fingen an zu reparieren. Hier traf ich zum ersten Mal einen Ilsfelder, Friedrich Röhrich, er war bei einem Krankenwagenzug als Fahrer. 

Werkstatt in Bialystok

 

Die Freude war groß. Doch ich wurde mit meiner Werkstatt abkommandiert nach Bielks (Polen), in der Nähe eines Pionierparks, wo ich die Werkstatt eines Kriegswerksmeisters übernehmen musste. Der Chef hieß Hauptmann Hilgert, er war Ingenieur im Stahlbau. Zu ihm hatte ich einen guten Draht, da es mir gelang 19 russische Zugmaschinen instand zu setzen.

 

Russische Zugmaschinen

Abgeschossenes Flugzeug im Wald von Bielks.

Ende September, Anfang Oktober wurden wir wieder verlegt, ungefähr 60 km nach Minsk, direkt an die Beresina, an der einst Napoleon seine Schlappe erlitten hatte. Hier bekamen wir es gleich mit dem General Winter zu tun, uns froren am 2. Oktober 1941 in Birosow schon an den Fahrzeugen die Wasserpumpen ein, und am 02. Mai 1942 lag der Schnee immer noch 15-20 cm hoch. In unseren Unterkünften hausten die Wanzen. Und was machte ich dagegen? In meiner Lastwagenwerkstatt hatte ich meistens Diesel, damit spritze ich die Wände ein, für den Boden nahm ich Sägemehl getränkt mit Diesel, und so hatte ich Ruhe. Noch muss etwas aus dem kalten Winter 1941 erzählt werden, meine Frau musste mir zuerst Kopfschützer und Kniewärmer stricken, weil wir überhaupt keine Winterausstattung hatten und die Verpflegung war ganz spärlich und miserabel. Angehörige, die Soldaten an der Ostfront hatten, durften Pakete von 100 Gramm schicken, aber nicht mehr, ansonsten wurden diese nicht befördert. Ich hatte dabei Glück, dass bei meiner Frau zu Hause eine Posttante verkehrte, sodass, wenn ein Päckchen zurückkam, gab sie es wieder mit. 100 Gramm waren gerade ein Paar gerauchte Bratwürste. Aber dafür haben wir auch den Hunger- oder Gefrierfleischorden mit der Aufschrift „Winterschlacht im Osten 1941/42“ erhalten. Ich wundere mich heute noch, wie ich diese Kälte damals ausgehalten habe. Ich organisierte mir eine gut wattierte russische Kommisshose und meine Marschstiefel waren 2 Nummern zu groß. Mein härtester Tag in Russland waren 44 Grad Kälte auf der Autobahnbrücke über die Beresina, da blieb ein Mercedes stehen, infolge von Sabotage, da Wasser in den Diesel beigemischt wurde und dadurch die Steigleitung vom Tank zur Förderpumpe zugefroren war. Daher hatten wir den Auftrag, immer einen gewissen Anteil Benzin zum Diesel beizumischen, damit die Steigleitungen nicht einfrieren. Gottlob Schäfer von der Rösslesgasse kam nach Neujahr auch zu mir mit seinem 3,6 l Opel-LKW, es war Sonntagabend, ich musste den Wagen bis zum anderen Morgen reparieren, damit er zu seiner Einheit weiterfahren konnte.

 

Teil 7 - Einsatz in Weißrussland Teil 1

 

Im kalten Winter 1941 kam Eugen Enzel zu mir in die Werkstatt. Er hatte einen englischen Bedford LKW, ein Beutefahrzeug, das zur Reparatur musste. Eugen Enzel war bei einer Nachrichteneinheit stationiert. Ich erklärte ihm, dass ich für dieses Fahrzeug nicht so schnell Ersatzteile bekomme. Ich sagte zu ihm: „Es ist am besten du bleibst solange hier, bis dein Wagen fertig ist“.

 

Ich ging zum Spieß (Hauptfeldwebel bzw. Kompaniefeldwebel) und sagte ihm, dass der Eugen ein Landsmann von mir sei und er möge ihn so lange in unsere Einheit behalten, bis sein Fahrzeug repariert ist. So war Eugen 5 Wochen bei uns, mal schob er Wache und ging auf Streife, manchmal half er in der Werkstatt mit. So schrieb er auch mal einen Brief an meine Frau, da meine Zeit nicht zum Schreiben reichte.

August Blind und Eugen Enzel

 

Im Spätjahr 1943 kam ein ganz schwarzer Tag für mich. Ich marschierte mit meinen Leuten mittags zum Essenfassen zu unserer Unterkunft, diese lag 500-600 Meter von der Werkstatt entfernt. Während dieser Zeit ging die Werkstatt in Flammen auf. Das war ein Schlag ins Kontor. Natürlich waren die Holz- und Steinböden mit Öl vollgetränkt, da die Russen ja vorher Panzer darin repariert hatten. Es verbrannten darin 2 fast neue Büssing Werkstatt-LKW, vollausgerüstet mit Drehbänken, Bohrmaschinen und dergleichen. Zudem verbrannten 7 weitere LKW, ein Notstromaggregat, Batterien, Ersatzteile etc. Jetzt kam etwas auf mich zu. Ich wurde 3 Tage lang von der geheimen Feldpolizei verhört. Am 4. Tag musste ich zum Major Kindermann, meinem neuen Chef, zum Rapport. Dieser sagte zu mir: „Unteroffizier Blind, Sie machen überhaupt keine Angaben mehr hinsichtlich der Vernehmung, ich habe die Sache geregelt und heute Abend melden Sie mir, wo und wie sie wieder eine LKW-Werkstatt aufmachen können und ihre Leute bekommen Sie morgen auch wieder.“ Ich erwiderte: „Herr Major, könnte ich nicht zu einer anderen Einheit versetzt werden?“ Da fauchte er mich an: „Unteroffizier Blind, Sie stehen meiner Einheit zur Verfügung, merken Sie sich das.“ Also ging es wieder los. Ich fand drunten an der Beresina in Borisov eine große Getreide- und Nudelfabrik, zwar vollständig ausgebrannt, aber gut gebaut, innen massive Säulen, wir mussten nur noch Löcher für zwei große Tore heraushauen. Nun hatte ich jedoch keinen Werkstatt-Abschleppwagen mehr, keine Drehbank und keine Werkzeuge mehr. Zu uns kam dann ein alter Maschinenschlosser namens Wölfle, wir holten die zwei ausgebrannten Drehbänke und machten daraus wieder eine funktionierende Drehbank.

Nun will ich noch etwas aus meiner handwerklichen Tätigkeit erzählen. Es kamen 2 Fahrer mit amerikanischen Beutefahrzeugen, GMC, welche die Amerikaner an die Russen geliefert hatten. Bei den Fahrzeugen war der Vorderrad-Antrieb ausgeschlagen. Darin waren Kugeln mit 70 mm Durchmesser, zum Teil bis zur Hälfte abgenutzt. Ersatzteile für diese Fahrzeuge gab es keine. Ich drehte vier Kugeln, aber ich hatte kein Härtepulver und hart mussten die Kugeln sein. Da sagte ich zu zweien meiner Leute: „Pinkelt mal in den Eimer“. So härtete ich die Kugeln im Urin, die Antriebe konnten wieder instandgesetzt und eingebaut werden und die LKW waren wieder fahrbereit.

 

Teil 8 - Einsatz in Weißrussland Teil 2

Anfang 1943 wurde unser Major Kindermann versetzt und für ihn kam Hauptmann Schädlich, er war zuvor beim Afrikakorps. Er war ein Automobilfachmann und wirklich ein guter Kamerad. Er setzte sich dafür ein, dass die jungen Soldaten auch genügend zu Essen bekamen. Es konnte vorkommen, dass der Hauptmann morgens vor versammelter Mannschaft schrie: „Wo sind meine Herren Offiziere, meine Männer sind alle da.“ Er kam öfters zu mir und unterhielt sich mit mir, er war ja auch aus der Automobilbranche.

Eine Sache kann ich bis heute nicht vergessen und bedrückt mich heute noch. Der Oberfeldwebel kam zu mir in die Werkstatt mit der Nachricht: „Du, gestern habe ich das Kommando leiten müssen. Den Oberwachtmeister Göller aus Nördlingen hat man erschossen. Er hatte sich mit einer Russin eingelassen und hatte für die halbe Verwandtschaft Passagierscheine mit dem Dienstsiegel des Stabs des Transportregiments 1021 ausgestellt.“ Es war strengstens verboten, nachts die Autobahnbrücke über die Beresina zu passieren.

Und noch etwas möchte ich erzählen, was ich erlebt habe. Eines Tages kam ich aufs Dienstzimmer um etwas zu regeln, als der Spieß auch da war. Er war ein guter Freund und Kamerad und hieß Karl Gronewald und war aus Köln. Ich fragte ihn: „Karl, wo habt ihr eure Dolmetscherin hingebracht?“ Er erzählte mir, dass diese von der geheimen Feldpolizei abgeholt wurde. Sie hatte zwei Brüder, die auf dem Flughafen arbeiteten und Taucheranzüge hatten. Sie wollten die Autobahnbrücke über die Beresina anbohren um diese in die Luft zu sprengen. Was mit den dreien passiert ist, lässt sich ja denken. 

Am 13. August 1943 machte ich die Fahrlehrerprüfung in Orscha für die Klassen der Verbrennungsmotoren 1, 2 und 3, Motorrad und Omnibus Klasse 2. Der Kurs dauerte 12 Tage. Bei der Prüfung saß der Major neben mir, die anderen Kursteilnehmer teils hinten, sie mussten aussteigen und den Omnibus schieben, weil in den Straßen von Orscha lag der hergewehte Sand einen halben Meter hoch. 

Fahrt auf der Beresina

Anfang 1944 kam der Oberstleutnant Kühnel zu uns, der hatte das Kraftfahrwesen unter sich. Im Februar 1944 war ich zum letzten Mal im Urlaub, welch großes Glück ich dabei hatte, möchte ich berichten. Als der Urlaub begann, sagte mein Kamerad, der Oberschirrmeister Hans Schiffer: „August, du fliegst mit dem Flugzeug in Urlaub.“

August Blind am Bahnhof in Minsk

 

Er hatte Verbindungen zu Fliegern in dem Gebiet. Er ließ mich nach Minsk auf den Flughafen fahren, von dort sollte ich weiterkommen. Auf dem Flughafen in Minsk stand eine JU 52, die wurde mit Munition beladen um nach Baranowitschi zu fliegen. Ich setzte mich im vorderen Teil des Laderaums auf Munitionskisten und freute mich so mit 250-300 km/Std. über das schneebedeckte Weißrussland zu fliegen, aber es kam anders als gedacht. Auf dem Flugplatz in Baranowitschi herrschte ein gewaltiger Schneesturm und der Flugzeugführer stelle die Maschine auf den Kopf, doch zum Glück überschlug sie sich nicht, sondern ging nach hinten runter, ohne zu explodieren. Ansonsten wäre von mir nichts mehr übrig geblieben. Als man mich aus dem Laderaum herausließ, vermuteten die Soldaten, dass ich nicht gleich wieder fliegen wollte, aber 2 Stunden später kam ein Gigant von Flugzeug, mit dem flog ich bis nach Warschau und von da aus mit dem Urlaubszug nach Hause. Ich hatte nur ein paar Schrammen an der Stirn und der linken Hand. So wie ich mich erinnern kann, war der linke Motor der JU abgerissen und hing nur noch an Kabeln fest.

 

 

Teil 9 -  Rückzug

Im Juni 1944 mussten wir Borisov verlassen, da waren die Russen schon bis nach Minsk durchgebrochen und wir konnten nicht mehr über Minsk zurück, so fuhren wir über Wilna bis nach Insterburg, von dort bis nach Graudenz. In der Nähe war ein polnischer Truppenübungsplatz der Gruppe hieß. Hier wurden wir mit verschiedenen Instandsetzungseinheiten zu einem Kraftfahrzeug-Instandsetzungsregiment zusammengestellt. Eines Morgens stellte ich beim Antreten fest, dass Ersatz aus der Heimat gekommen war. Darunter auch ein Ilsfelder, Ernst Weber, Schlossermeister, er kam aus Pinneberg. Er half uns öfters, wenn wir Maschinen im Motorenwerk aufstellen mussten, manchmal musste er auch mit dem LKW Teile abholen.

Es war Spätsommer 1944, da wurde ich zu einem Lehrgang für Holzgas nach Riga geschickt. Ich musste feststellen, dass in Riga vom Krieg noch nicht viel zu spüren war.

August Blind - Handstand auf dem Werkstattwagen.

Links August Blind an einem Werkstattwagen.

Im Winter 1944/45 mussten wir den Truppenübungsplatz Gruppe bei Graudenz fluchtartig verlassen. Das ganze, neue Motorenwerk samt Hallen und Werkstätten und ca. 3000 Fahrzeuge, zum Teil leicht reparaturbedürftig, fielen den Russen in die Hände. Von da aus kamen wir nach Podejuch am Oderbruch unweit von Stettin, dort wurden wir in einer ziemlich neuen Pionierkaserne untergebracht, da waren auch Werkstätten dabei. Im Oderbruch sprang massenhaft Vieh herrenlos umher, da kam es schon mal vor, dass ein paar Landser von meiner Werkstatt sich zusammentaten und ein Vieh schlachteten.

Im Frühjahr 1945 kam die SS-Panzerdivision Frunsberg von der Westfront Ardennen herüber, diese hatten Kompanien mit den berüchtigten 45-Tonnen- Panzern „Panther“ und eine Kompanie führte amerikanische Beutepanzer mit sich. Ich wurde mit meinen Leuten zu der Panther-Werkstatt abkommandiert. Die Panzer wurden im Wald repariert und wenn nicht genügend Platz da war, drückten die Panzer einfach die Bäume um. Meine Leute mussten in der Hauptsache Tauschmotoren aus- und einbauen, Panzerplatten aufschweißen sowie alte Panzerketten um die Vorderpartie und den Geschützturm anbringen.

Jedoch schon bald wurde das Instandsetzungsregiment aufgelöst und in einzelne Instandsetzungseinheiten aufgeteilt. Wir mussten wieder weiterziehen in die Nähe von Waren in Mecklenburg. Hier stand ein großer Gutshof. In der großen Scheune richteten wir eine provisorische Werkstatt ein. Hier trug sich folgendes Ereignis zu. Ein Gefreiter unserer Einheit, namens Stoll, hatte 2 Gäule, er hatte zum einen die Aufgabe, Wasser für die Küche zu besorgen und zum anderen, die Gefangenen zu bewachen, die bei uns beschäftigt waren und 1944 von der Wehrmacht übernommen wurden. Die Gefangenen hatten die Aufgabe, den Boden der Scheune zu ebnen, in der wir bereits Fahrzeuge reparierten. Da sah ich, wie ein Russe den Spaten nahm, und diesen dem Gefreiten Stoll auf den Kopf schlagen wollte. Ich sprang auf, riss dem Russen den Spaten aus der Hand, packte ihn am Kragen und schlug ihm ins Gesicht, dies war etwa 6 Wochen vor Kriegsende.

 

Teil 10:  Flucht und Gefangenschaft

Doch bald darauf musste die Werkstatteinrichtung schnell auf unsere Fahrzeuge, einen MAN-LKW und einen Hentschel-LKW verladen werden. Drei Tage und Nächte fuhr ich zum Teil mit Tarnscheinwerfer durch die Gegend bei Crivitz. Als wir mit unsere Kolonne halt machen wollten, sagte mir Einer: “Fahr schnell wieder weiter, hier haben die Jabos (Jagdbomber) eine Kolonne bereits aufgerieben.“ Beim Abzählen unserer Kolonne fehlte jedoch ein Mann, er hieß Laubinger. Ich wollte schon zurückfahren, um nach ihm zu suchen, aber unsere Offiziere ließen das nicht mehr zu. 

August Blind

 

Nach dem Krieg traf ich Laubinger zufällig in Stuttgart wieder. Er erzählte mir, dass er in russische Gefangenschaft kam. Welches Glück hatte ich dabei, dass ich nicht mehr zurückfuhr. Entlang der Straßen waren überall Schützen- und Deckungslöcher ausgehoben, dass man schnell in Deckung springen konnte, sobald Jabos kamen. Ich fuhr die ganzen Tage selbst und zwei Männer saßen rechts und links auf den vorderen Kotflügeln des MAN-LKW, um aufzupassen, wenn Jagdbomber der Straße entlang anfingen die Kolonne zu beschießen. Am dritten Tag, morgens gegen 9 Uhr, fuhr ich mit meinem LKW in einen Waldweg hinein, völlig übermüdet, verriegelte die Türe und legte mich auf die Vordersitze zum Schlafen. Es muss wohl zwischen 11-12 Uhr gewesen sein, da polterte es an meine Tür. Als ich aufmachte, sagte ein kanadische Soldat ganz human: „Come on.“ Durch meinen Schlaf war ich ziemlich benommen. Er gab mir ein Zeichen, ich sollte meine Sachen packen. Ich hatte noch eine nagelneue P 38 an der hinteren Rückwand hängen, die wollte er unversehrt haben, meine Maschinenpistole musste ich an einem Baum zerschlagen. Also packte ich meinen Tornister, er beorderte uns auf die Hauptstraße, an der die kanadische Panzereinheit rastete. Auf der Straße sammelten wir uns und kamen zu einer Brücke an der Elbe. Als wir die Elbbrücke überquert hatten, wurden wir mit einem LKW nach Soltau gefahren. Dort bekamen wir zum ersten Mal etwas zu trinken, ein halbes Feldgeschirr Wasser. Das hatte gerade gereicht, um sich zu waschen und etwas zu trinken. Dann hieß es, ich habe es heute noch in den Ohren, hinsetzen, schlafen. Von Soltau kamen wir zuerst nach Lüneburg und von dort aus nach Gorleben an der Elbe. Dies war ein Waldlager. Auf der anderen Seite der Elbe patrouillierten russische Soldaten. Ich und Hermann Sigrist gruben uns ein Lager. Dazu benötigen wir Hölzer zum Abdecken, damit unsere Zeltplanen einen Halt hatten. Wir schlugen einige Tannen um, was ja eigentlich verboten war.

 

Als ich ein paar Wochen später auf dem Waldboden ein paar Kartoffeln gebraten habe, lief einer vorbei, die Mütze tief ins Gesicht gezogen und schaute mich ganz stur an. Ich fragte, was schaust du so? Da hob er die Mütze und ich erkannte ihn, Hermann, einen guten alten Freund, noch vom Turnverein. Die Freude war riesengroß, dann verspeisten wir zusammen die wenigen Kartoffeln. Nach der Gefangenschaft sorgte der Hermann dafür, dass unsere Familie keinen Hunger mehr leiden musste, und auch die Kameradschaft hat noch bis zum heutigen Tag Bestand.

 

Teil 11:  Rückkehr und Neuanfang

Von Gorleben kamen wir wieder weg ins Münsterlager, hier gab es Baracken. Aber das Essen war miserabel. Das Lager stand unter englischer Leitung. Eines Tages wurde eine Verfügung erlassen, dass man als Metallhandwerker im englischen Besatzungsgebiet eine Entlassung erhalten kann, um am Brückenaufbau mitzuhelfen. Von dieser Verfügung machte ich Gebrauch. Ich sollte nach Göttingen, Göttingen war englisches Besatzungsgebiet. Ich meldete mich auf dem Arbeitsamt und fragte nach, ob nicht auch meine Frau kommen könnte. Dies wurde jedoch verneint. Ich erhielt jedoch einen Ausweis für das Arbeitsamt Heilbronn. So fuhr ich auf einem Kohlewagen der Bundesbahn nach Heilbronn. Als ich in Heilbronn ankam und über den eisernen Steg lief, da dachte ich, da können noch 60-80 Jahre vergehen bis die zerstörte Stadt wieder aufgebaut ist. Als ersten Ilsfelder traf ich auf der Sommerhöhe in Flein Karl Rüber, meinen Nachbarn. Dieser erzählte mir, dass unser Haus noch steht, nur die beiden Scheunen seien abgebrannt. Dann marschierte ich auf Ilsfeld zu und als ich das Bild (Bildstraße) runter kam, schaute der Vater von Hermann Enzel gerade zum Fenster heraus. Ich konnte ihm sagen, dass wir, Hermann und ich, in der Gefangenschaft beieinander waren, und dass Hermann auch bald entlassen werde, da die Leute aus der Landwirtschaft zum Teil schon entlassen wurden, worüber er sich sehr freute. Das war am 5. August 1945. Zuhause angekommen, war ich sehr froh, dass unsere Familie noch gesund beieinander sein konnte und ein Dach über dem Kopf hatte. In einer Scheune lagen etliche ausgebrannte Benzin- und Dieselfässer und der Anhänger war abgebrannt. In dieser hatte die Wehrmacht ihre Brennstoffreserven sowie Gefallenengepäck untergestellt.

So begann ich nach dem Krieg mein Geschäft wieder aufzubauen. In LKW und Omnibussen setzte ich Motoren ein, selbst einen Rechtslenker baute ich zu einem Linkslenker Omnibus um, mit dem dann noch viele Jahre der Linienverkehr Heilbronn-Kirchhardt gefahren wurde. Einem Kunden aus Sontheim ersetzte ich an einem LKW die Holzvergaseranlage durch einen Dieselmotor. Viele Teile mussten dabei selbst angefertigt werden. 

Werbeanzeige aus dem Jahr 1952, Foto entnommen aus „Kleine Heimatkunde von Ilsfeld 1952

Aber es gibt in unserem Geschäft auch viele Höhen und Tiefen, bei dem man trotz harter Arbeit viel Geld verlieren kann. Ein Beispiel möchte ich kurz erwähnen. In einen Ford-LKW baute ich eine Hinterachse ein, die Rechnung lautete über 800 DM. Aber der Kunde zahlte nicht, er trug sein Geld lieber auf die Wirtschaftsbank.

Nach dem Krieg sollte darüber entschieden werden, ob die Autobahnauffahrt Ilsfeld/Auenstein wegfallen sollte. Als ich davon hörte, sprach ich meinen Schwager Wilhelm Jung, der damals Vorsitzender des Gewerbevereins war, darauf an. Sofort gingen wir auf den Landtagsabgeordneten Fritz Köhler zu, mit dem wir gut befreundet waren. Der versprach, sich dafür einzusetzen, dass die Schließung der Auffahrt nicht zustande kommen sollte. Zudem mobilisierten wir die Gewerbevereine der Umgebung. Auf dem Ilsfelder Rathaus kam es zu harten Auseinandersetzungen mit dem Autobahnamt. Am Ende bekamen wir Recht und die Autobahnauffahrt und -abfahrt blieb für uns Ilsfelder und Auensteiner erhalten.

Nun möchte ich zum Schluss kommen, wir hatten es in unserem Leben nicht immer leicht und mussten hart kämpfen, hatten jedoch auch manches Glück. Bis jetzt durften wir gemeinsam einen schönen Lebensabend verbringen. Am 22. Dezember 1991 waren wir 63 Jahre verheiratet und haben zwischenzeitlich 3 Kinder, acht Enkel und 6 Urenkel.

 

Hier enden die Aufzeichnungen von August Blind.

Eiserne Hochzeit von Lina und August Blind am 19.12.1998

Am 22. Dez. 1993 konnten August Blind und seine Frau Lina das Fest der „Eisernen Hochzeit“ feiern. Am 19.12.1998, drei Tage bevor er und seine Frau das Fest der „Gnadenhochzeit“ hätten feiern dürfen, verstarb August Blind im Alter von 93 Jahren.

 

 

An dieser Stelle möchten uns sehr herzlich bei Alfred Blind, dem Sohn von August Blind bedanken. Er hat uns neben den Aufzeichnungen auch sehr viele Fotos und Unterlagen aus der damaligen Zeit für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank natürlich auch dafür, dass er dem Heimatverein die Erlaubnis erteilt hat, so umfangreich über das Leben seines Vaters in den Ilsfelder Nachrichten zu berichten.

 

M. Braun


Heimaträtsel 2020

Während der Ferienzeit hatten wir Sie eingeladen, an unserem Heimaträtsel teilzunehmen. In den Ilsfelder Nachrichten veröffentlichten wir jede Woche zwei Bilder mit der Frage: „Wo befindet sich dieses Denkmal“. Aus den richtigen Lösungsbuchstaben ergab sich das Lösungswort, dieses lautete: „CLEVERLE“. Was es mit dem Lösungswort auf sich hat, erfahren Sie aus den Erläuterungen zu unserem Bild Nr. 8.

Hier nun die Lösungen zu den einzelnen Bildern. Astrid Schulz und Walter Conrad gaben zu den einzelnen Denkmälern noch Erläuterungen und Hintergrundinformationen. Die Aufnahmen stammen von Horst Meyer.

Zu gewinnen gab es Gutscheine im Wert von 20 € der Vinothek Ilsfeld, die ersten drei Gewinner erhielten zusätzlich einen Buchpreis.

Herzlichen Dank allen die am Heimaträtsel mitgemacht haben.

Die Vorstandschaft

 

 

Auflösung des Heimaträtsels

Bild Nr. 1

Wo steht dieses Gebäude?

Richtige Lösung:  Wüstenhausen C

Landturm

Die Abbildung zeigt den Landturm bei Wüstenhausen.

Der Landturm gehörte zum Landgraben, dieser bildete etwa 300 Jahre die Nordgrenze von Württemberg. Er begann bei Leingarten und führte bis Gronau/Schmidhausen. Errichtet wurde er in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Durch den Landturm führten die Handelswege, dabei hatte der Landturm die Aufgabe einer Zollstation. Mit der Auflösung der Kleinstaaten durch Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor der Landgraben seine Aufgabe. Weniger Bedeutung hatte der Landgraben zur Verteidigung des Landes. An der Straße von Lauffen nach Ilsfeld erkennt man nach dem Ortsausgang von Lauffen rechts ein Stück des früheren Landgrabens.

 


Bild Nr. 2

Wo befindet sich dieser Brunnen?

Richtige Lösung:  Schozach L

Dorfbrunnen in Schozach

Der Brunnen steht in Schozach gegenüber dem früheren Rathaus bei der Abzweigung der Dorfstraße von der Sturmfederstraße. Gestiftet wurde der Brunnen von der Dorfgemeinschaft „DoGeSch(n)o“. Man erkennt das Wappen von Schozach, das aus zwei Schildhälften besteht: Links das Hufeisen, früher das Fleckenzeichen von Schozach. Rechts zwei abgekehrte Streitbeile, dass Wappen der Herren von Sturmfeder.

Schozach hatte 1853 sieben Brunnen, das Wasser muss sehr gut gewesen sein, denn in der Oberamtsbeschreibung heißt es: „Die Einwohner, ein munderes, rühriges Völckchen, erfreuen sich einer dauerhaften Gesundheit und erreichen nicht selten ein hohes Alter.“

 


Bild Nr. 3

Wo steht dieser Stein?

Richtige Lösung: Ilsfeld                                                                     E

Zehntstein                                                                            

Bei dem Weg zwischen der Bartholomäuskirche und dem Pfarramt steht der Stein mit der Jahreszahl 1740 und dem achtzackigen Kreuz, dem Johanniterkreuz. Er erinnert an den Johanniterorden, der vom Jahr 1300 bis etwa 1800 der größte Grundbesitzer in Ilsfeld war. Der Stein stand früher oberhalb des Dietersbergstadions am Weg Richtung „Wohllebe“, vom Ertrag des Grundstücks musste der zehnte Teil an die Johanniter abgeführt werden.

Die Johanniter – aber auch die Malteser – unterhalten heute soziale Einrichtungen. Beide Orden erkennt man am achtzackigen Kreuz.


Bild Nr. 4

Wo befindet sich dieser Torpfosten?

Richtige Lösung: Helfenberg V

Torpfosten in Helfenberg

Torpfosten vom ehemaligen Gutshof der Freiherren von Gaisberg.

Ein Zeuge aus Stein ist dieser mächtige Torpfosten, der Teil des Einfahrt-Tores zum ehemaligen Helfenberger Hofgut der Freiherren von Gaisberg war. 

Er steht an der Einfahrt vor dem Helfenberger Gemeindehaus.

 


bILD NR. 5

Wo steht dieser Brunnen?

Richtige Lösung: Auenstein                                                             E

Der Schulbrunnen

Vor der alten Schule, gegenüber der Kirche, steht noch immer die alte Wasserpumpe mit dem Handschwengel. Viele Generationen von Schülern haben hier in der Pause ihren Durst gestillt und sich gegenseitig nass gespritzt.

Auch Nachbarn, die keinen eigenen Brunnen hatten, versorgten sich hier mit Wasser.

Erst 1926 wurden die Wasserleitungen in die Häuser verlegt.

 

 


Bild Nr. 6

Wo befindet sich dieses Gebäude?

Richtige Lösung: Abstetterhof                                 R

Alte Pumpstation Abstetterhof

Mit Winzerhausen hatte der Abstetterhof 1927 einen Vertrag zur Wasserversorgung abgeschlossen. Da die Bewohner damit nicht zufrieden waren, wurde wenig später eine eigene Pumpstation nordöstlich des Weilers in den Abstetterhofwiesen erbaut.

 

Die Pumpstation aus rotem Backstein steht weit sichtbar auf der Wiese vor dem Weiler.


Bild Nr. 7

Wo befindet sich dieses Eingangsportal?

Richtige Lösung: Auenstein                         L

Eingangsportal Auenstein

Über dem Eingangsportal am ehemaligen Auensteiner Rathaus ist diese Inschrift, mit einer prunkvoll verzierten, üppigen Ausschmückung im Stil des Spätbarocks, angebracht.

Der Schultheiß und Kronenwirt Johann Leonhard Kreh hat für seine große Familie dieses stattliche Haus im Jahre 1766     erbauen lassen.

 

Später erwarb Schultheiß Keppler das Haus. Man nannte es danach auch „Kepplersches Haus“. Von 1881 bis zum Neubau 1952 gingen die Kinder hier ins „Schüle“.


Bild Nr. 8

Wo steht das „Alte Lehrerwohnhaus“ mit Sitz des Heimatvereins?

Richtige Lösung: Lothar-Späth-Platz E

Das „Alte Lehrerwohnhaus“ steht am „Lothar-Späth-Platz“, es diente früher als Dienstwohnung der Lehrer mit ihren Familien. Im Gebäude des Polizeiposten mit der Volkshochschule war ehemals die Volksschule.

Im Alten Lehrerwohnhaus ist heute im Erdgeschoss die Sachgebietsleitung der Kindertageseinrichtungen untergebracht, im ersten Stock und Dachgeschoss befinden sich das Museum und Archiv des Heimatvereins.

Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Lothar Späth verbrachte seine Kindheit und Jugendzeit in Ilsfeld und besuchte die damalige Volksschule. Weil er während seiner Amtszeit (1978-1991) unermüdlich und mit gezielten Maßnahmen den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes förderte, nannte man ihn „Cleverle“. Der Gemeinderat hat dem früheren Schulhof den Namen „Lothar-Späth-Platz“ gegeben, das ehemalige Schulgebäude heißt zur Erinnerung an den bekannten Sohn der Gemeinde „Lothar-Späth-Haus“.

 


Heimaträtsel - Wie gut kennen Sie unsere Gemeinde?

Download
Heimaträtsel
Zusammenfassung des Heimaträtsels
Ilsfelder Heimaträtsel_Zusammenfassung.p
Adobe Acrobat Dokument 1.2 MB

Einsendeschluss für das Heimaträtsel ist der 13. Sept. 2020

 

Der Heimatverein wollte Sie während der Ferienzeit dazu motivieren, mit einem Bilderrätsel unsere Gemeinde etwas näher kennenzulernen. In den letzten vier Wochen wurden in den Ilsfelder Nachrichten jede Woche jeweils 2 Bilder von Denkmälern und oder Gebäuden veröffentlicht, deren Standort Sie erraten sollten. Wir wollten von Ihnen wissen, in welchem Ortsteil sich das Denkmal befindet. Alle 8 Bilder die wir in den letzten vier Wochen veröffentlicht haben, finden Sie nachstehend nochmals abgebildet.

Unter jedem Bild finden Sie 3 Lösungsvorschläge, einer davon ist richtig. Hinter jedem Lösungsvorschlag steht ein Buchstabe. Notieren Sie den Buchstaben und tragen Sie diesen in das Lösungsfeld ein, das am Ende abgebildet ist. Aus allen korrekten Lösungen ergibt sich ein Lösungswort, das Sie entweder an die E-Mailadresse des Heimatvereins (heimatverein.ilsfeld@web.de) schicken können, dabei bitte Name, Adresse und Alter nicht vergessen oder als Ausdruck in den Briefkasten des Heimatvereins in Ilsfeld, Charlottenstr.7 (neben der Polizei), einwerfen können.

Für die richtige Lösung winken auch attraktive Preise, wie Gutscheine und Bücher.  Mitmachen lohnt sich auf jeden Fall. Die Auslosung findet im September statt. Sollten mehr richtige Lösungen eingehen, als Preise vorgesehen sind, entscheidet das Los. Über eine rege Beteiligung würden wir uns sehr freuen.

Viel Spaß beim Erkunden und viel Glück bei der Auslosung.

 

 

Die Vorstandschaft


Bild Nr. 1

Wo steht dieses Gebäude?       

Schozach                 I                      

Helfenberg             G 

Wüstenhausen  C


Bild Nr. 2

Wo befindet sich dieser Brunnen?

Schozach               L                     

Auenstein              E

 

Abstetterhof          A         


Bild Nr. 3

Wo steht dieser Stein? 

Wüstenhausen       M     

Helfenberg             R    

Ilsfeld                  E                 


Bild Nr. 4

Wo befindet sich dieser Torpfosten?

Helfenberg              V

Schozach                 E

Auenstein               W         


bILD NR. 5

Wo steht dieser Brunnen? 

Ilsfeld                           I

Wüstenhausen             S   

Auenstein                E


Bild Nr. 6

Wo befindet sich dieses Gebäude?

Schozach                      N

Abstetterhof                 R

 

Ilsfeld                           O


Bild Nr. 7

Wo befindet sich dieses Eingangsportal?

Ilsfeld                           D

Schozach                      T

Auenstein                 L


Bild Nr. 8

Wo steht das „Alte Lehrerwohnhaus“ mit Sitz des Heimatvereins?

Lothar-Späth-Platz              E

Rathausplatz                        F

 

Kelterplatz                           U


Heimaträtsel 2020 - Wie gut kennen Sie unsere Gemeinde?

Das Lösungswort lautet:

 

Lösungsbuchstabe:

 Bild 1  Bild 2  Bild 3   Bild 4   Bild 5   Bild 6   Bild 7   Bild 8

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Absender:

 

Vorname:                                                               Nachname:

 

Straße:                                                                    Wohnort:

 

 

Tel.:                                                                          Alter:


Geschichtliches im Kirchturmknopf der Bartholomäuskirche

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 21 vom 20. Mai 2020

 

Das Jahr 2020 wird als das Jahr der Corona-Epidemie in die Geschichte eingehen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise prägen das Leben. Die Produktion in vielen Betrieben wurde heruntergefahren, Gaststätten waren geschlossen, die Lehrkräfte bemüh(t)en sich, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, was im sonst im vertrauten Umfeld der Schule gelernt wird. Die Unbefangenheit zur Gestaltung des alltäglichen Lebens in der Öffentlichkeit und privatem Bereich ist seit Wochen nicht mehr möglich, die Epidemie hat Einfluss auf alle Lebensbereiche. Da kann man sich gut vorstellen, dass das Jahr 2020 in die Geschichtsbücher als das Jahr der Einschränkungen eingehen wird.

 

 

Zeiten der Not und schwierige Epochen im Leben haben die Menschen immer auf besondere Art festgehalten. Am 30. September 1891 veröffentlichte die „Neckarzeitung“ in ihrer Beilage einen Artikel mit der Überschrift „Urkunden aus dem Ilsfelder Kirchturmknopf“. Am 24. September 1891 hat man am Kirchturm einen neuen Blitzableiter angebracht, deshalb musste der Kirchturmknopf – die Turmkugel – abgenommen werden. In der Kugel hat man verschiedene Schriftstücke gefunden, die von früheren Ereignissen und deren Auswirkungen auf das damalige Leben berichten.

 

 

Die Kirche mit dem Kirchturm vor dem Großen Brand 1904

  

 

 

 

 

 

Wir entnehmen auszugsweise einige in der Veröffentlichung festgehaltene Katastrophen und Erinnerungen an Zeiten der Not. Der Text ist weitgehend unverändert, Auslassungen sind nicht gekennzeichnet, Umschreibungen und Ergänzungen sind in Klammern gesetzt.

In den Jahren 1770 und 1771 ist ein starker Misswuchs eingetreten und großer Mangel und Teuerung entstanden (ein Preis für Dinkel wurde festgelegt, der nicht überschritten werden durfte). Da aber die Teuerung außerordentlich war, wurde von hier bei Nacht im Walde Dinkel nach Talheim verkauft.

 

Im Jahr 1799 raffte die Viehseuche 900 Stück Vieh weg.

 

 

Am 18. August 1808 ist nachmittags um 2 Uhr unweit des Schulhauses (das sich im Bereich der Charlottenstraße an der Südwestecke des Friedhofs befand) ein Brand ausgebrochen und es sind vom Feuer 11 Gebäude verzehrt worden, das Schulhaus aber ist unversehrt geblieben.

 

 

 

 

 

Ausschnitt aus der Veröffentlichung in der Beilage zur „Neckarzeitung“ vom 30. September 1891.

In dem Jahr 1816 ist durch außerordentlich nasse Witterung ein entsetzlicher Misswuchs der Früchte eingetreten. Der Frühling war rau und trocken, aber dann fing es an zu regnen und regnete 3 Monate anhaltend fort, so dass das Heu bis nach Jacobi (25. Juli) draußen gelegen und schlecht geworden ist, dass im Winter und Frühling das Vieh so elend wurde und manches nicht mehr zum Dienst brauchbar war und das Rindvieh, besonders auch ganze Herden Schafe, verendet sind.

 

Die Ernte hat erst nach Bartholomäi (24. August) angefangen und bis in den

Winter hinein gedauert, so dass im Januar 1817 noch Haber und Früchte eingefahren wurden. Dadurch entstand eine außerordentliche Hungersnot und Teuerung (die Preise für Dinkel und Haber sind unermesslich gestiegen, deshalb wurde eine Höchstgrenze festgelegt).

Die Leute mussten zu den unnatürlichsten Nahrungsmitteln, wie Unkraut, ihre Zuflucht nehmen und nur durch große Anstrengung und sorgfältige Einhaltung der mit Notdurft zusammengebrachten geringen Vorräte wurde verhindert, dass kein Einwohner Hungers starb.

Endlich machte die im August 1817 eingetretene Ernte der Not ein Ende und die Besorgnis, dass – durch den Mangel und durch die schlechten Nahrungsmittel – Krankheit die Nachfolgerin des Hungers werden würde, ging nicht in Wirklichkeit über.

Ilsfeld, den 14. Sept. 1820

 

Das Jahr ohne Sommer 1816

Die Erinnerungen an die wenige Jahre zurückliegende Zeit des Hungers und der Not wurden am 14. September 1820 festgehalten. Der Verfasser der Zeilen konnte die Ursachen der Veränderung des Klimas, das zu dem Notstand und der Hungersnot führte, nicht wissen.

Eine lokale Naturkatastrophe im Jahr 1816 hatte weltweite Auswirkungen. Weil Nachrichten aus anderen Erdteilen sehr spät und unzuverlässig in Europa eintrafen, war die Deutung der Klimaveränderung nicht möglich, auch die Naturwissenschaft konnte damals keine Antwort auf das ungewohnte Geschehen geben.

 

Im April 1815 brach der Vulkan Tambora auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien mehrmals aus. Beim gewaltigsten Ausbruch am 10. April wurde die gesamte Spitze des Vulkans weggesprengt, der etwa 4 300 Meter hohe Berg hatte danach noch eine Höhe von 2850 Metern. 150 Kubikkilometer Asche und Gestein gelangten in die Atmosphäre und bewirkten eine erhebliche Abkühlung des globalen Klimas. Das winterliche Klima führte zu Misswuchs, Ernteausfällen und Teuerungen, unter denen vor allem die ärmeren Menschen zu leiden hatten. In Europa waren die Menschen nördlich der Alpen von den Auswirkungen der Klimakatastrophe stark betroffen, aber auch das Leben in der Schweiz war von Mangel und Not geprägt, da Getreideimporte, auf die man angewiesen war, nun ausblieben.

Die Menschen verlängerten das Mehl mit Wurzeln und Baumrinden, um etwas

Essbares zu haben. Anregungen dazu gab die Broschüre „Deutliche Anleitung und gründliche Belehrung auf die leichteste und unkostbilligste Weise gutes und geschmackvolles Erdbirnen- und Rübenbrod zu backen“ eines Pfarrers aus Oberschwaben.

 

Nach 1817 leitete König Wilhelm I. eine Reihe von Neuerungen ein, um das Land Württemberg und seine Menschen aus der Armut zu führen. Als Wohltäterin nahm Königin Katharina eine Schlüsselposition ein.

 

Die Verantwortlichen in Ilsfeld hatten die Reformen umzusetzen. Der Schreiber des Schriftstücks im Kirchturmknopf nennt die Namen:

Pfarrer: Johann Jacob Steinbeis

Bürgermeister: Ernst Ludwig

Gemeindepfleger: Christoph Burger

Gemeinderäte: Thomas Widmann, Friedrich Leibbrand, Christoph Kizler, Leonhard Rebhan, David Veigel, Christoph Jäger, Friedrich Schütz, Friedrich Leidig, Michael Müller zugleich Heiligenpfleger (Kirchenpfleger).

Auch ein Bürgerausschuss, der in den zurückliegenden Jahren sich aufgelöst hatte, wurde wieder ins Leben gerufen. Die Namen der Mitglieder sind im Kirchturmknopf nicht überliefert.

 

 

Walter Conrad, Manfred Braun


Erinnerungen an Justinus Kerners Familie in Weinsberg und Familie Steinbeis in Ilsfeld

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 20 vom 14. Mai 2020

 

 

In dem Buch „Das Leben des Justinus Kerner – Erzählt von ihm und seiner Tochter Marie“ findet man eine Reihe von Erinnerungen an Ilsfeld. Im Pfarrhaus lebten von 1811-1829 Pfarrer Johann Jakob Steinbeis mit seiner Frau Wilhelmine geb. Kerner, die Lieblingsschwester von Justinus Kerner. Ihre sechs Kinder schienen – trotz notvoller Jahre – eine unbeschwerliche Kindheit und Jugendzeit erlebt zu haben. Die Tochter Auguste schrieb im Rückblick auf die Ilsfelder Jahre an ihren Bruder Ferdinand Steinbeis „... freilich, so schön wie in Ilsfeld wird es wohl nie wieder werden, aber man ist überhaupt nur einmal jung ...“ Seit dem Jahr 1813 hat Justinus Kerners Mutter, Friederike Luise Kerner, im Haushalt der Pfarrfamilie in Ilsfeld gelebt.

 

Justinus Kerner wurde 1819 Oberamtsarzt in Weinsberg.

Marie, die älteste Tochter von Justinus Kerner und seiner Frau Friederike geb. Ehmann erinnert sich an Ausflüge nach Ilsfeld. Sie stellt diese unter die Überschrift

„Verwandtenwohltaten“ und schreibt:

„Viel Freude hatten wir durch die Nähe von Onkel und Tante Steinbeis, die immer noch in Ilsfeld waren. Wir konnten bald den schönen Weg zu ihnen zu Fuß zurücklegen. Er führte größtenteils durch den Wald am Jägerhaus mit seinen großen Steinbrüchen vorüber. Ich hatte dort vier Cousinen und zwei Vettern. Wir liebten uns wie Geschwister. Immer wieder werden mir Onkel und Tante und die schönen Tage, die ich bei Ihnen verleben durfte, in dankbarer Erinnerung bleiben.

 

Dem Vater (Justinus Kerner) war der Umgang mit dem geistreichen Schwager ein hoher Genuss, und er blieb stets in innigster geistiger Verbindung mit ihm.“

 

 

 

 

Der ausgedehnte Pfarrgarten in Ilsfeld vor dem Großen Brand 1904.Vorne links erkennt man das Wohnhaus des Bürgermeisters, rechts davon – etwas zurückgesetzt – die Pfarrscheuer, dann das mächtige Pfarrhaus. Heute steht dort der Kindergarten Dorastift. Der Pfarrgarten erstreckte sich auf einer Länge von etwa 50 Meter bis zur damaligen Dorfmauer (Vorlage: Staatsarchiv Ludwigsburg)

 

 

Am 14. Juni 1817 ist Theobald Kerner, der jüngere Bruder von Marie Kerner, geboren. Marie schreibt in ihren Erinnerungen:

„Wie heute weiß ich noch, daß an einem Morgen beim Erwachen ich mein Bett ganz mit Blumen überdeckt fand, auch ein sehr schönes Zuckerwerk war dabei. Der Vater sagte mir, daß ein kleiner Bruder angekommen sei, der mir alles mitgebracht habe. Ich war überglücklich, aber auf den Arm bekam ich das Brüderchen kaum, was mir sehr schmerzlich war. Ich dünkte mich schon groß und passend zu einem Kindermädchen.

Leider kam auf die Freude von des Kindes Ankunft bald ein tiefer Schmerz für die Eltern durch den doch erfolgten Tod der lieben Großmutter.“

Dann zitiert Marie aus einem Brief Ludwig Uhlands an Justinus Kerner, in dem Uhland auf die beiden Ereignisse eingeht:

 „So ist das fortschreitende Leben, während man die eine Hand dem neugeborenen Geschlechte reicht, muß man die andere von dem absterbenden schmerzlich losreißen.“

 

Friederike Luise Kerner ist am 20. Juni 1817 an Schleimfieber gestorben. Sie wurde am 22. Juni morgens um 6 Uhr auf dem Friedhof in Ilsfeld bestattet.

Das Grabmal auf dem Friedhof in Ilsfeld trägt die Inschrift:

„Der mütterlichen Treue – kindliche Dankbarkeit – zum Andenken an Friedrike Luise verehelichte Kerner – geborne Stokmaier – gest. d. 20. Juni 1817.“

 

Wir danken den Weinsberger Ortshistorikern Klaus Heiland und Manfred Wiedmann herzlich für den Hinweis auf das informative Buch über das Leben von Justinus Kerner.

 

 

Walter Conrad, M. Braun


Friederike Luise Kerner in Ilsfeld

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 18 vom 29. April 2020

 

 

Das prächtige Grabmal von Friederike Luise Kerner, der Mutter von Justinus Kerner, steht beim Westausgang des Alten Friedhofs. Sie verbrachte die letzte Zeit ihres Lebens im Haushalt von Pfarrer Steinbeis und seiner Frau Wilhelmine geb. Kerner, der älteren Schwester von Justinus Kerner.

Im Jahr 1811 kam Pfarrer Steinbeis mit seiner Familie nach Ilsfeld. Justinus Kerner heiratete im Februar 1813 Friederike, genannt Rickele, geb. Ehmann.

Ihre Tochter Marie Kerner, verheiratet mit dem Heilbronner Stadtarzt Niethammer, schreibt in den Erinnerungen an ihren Vater:

„Meine Großmutter Kerner, die nach meines Vaters Verheiratung wieder allein war, nahm ihren Aufenthalt von da an bei ihrer Tochter, der Frau Pfarrer Steinbeis in Ilsfeld.“

 

Friederike Luise Kerner ist wohl 1813 im Pfarrhaus in Ilsfeld eingezogen, gestorben ist die Mutter von Justinus Kerner am 20. Juni 1817.

 

 

Das alte Pfarrhaus in Ilsfeld stand an der Stelle des Kindergartens Dorastift, es ist 1904 abgebrannt

 

Entnommen aus: Die Evangelische Kirche Ilsfeld: Vor und nach dem Großen Brand 1904: Geschichte – Menschen – Begebenheiten, 2006

Marie Niethammer schreibt dann, dass die Großmutter gefährlich erkrankte und ihr Sohn Justinus, der als Amtsarzt in Gaildorf wirkte, gerufen wurde.

Zur Beschreibung der Fahrt nach Ilsfeld zitiert Marie Niethammer aus einem Brief, den Justinus Kerner an Ludwig Uhland schrieb:

„Man verlangte mich zu meiner kranken Mutter nach Ilsfeld. Mir zum Troste und der Großmutter zur Freude sprach mir (die Ehefrau) Rickele zu, die Marie mitzunehmen. Ich fuhr mit einem Kutscher mit zwei Pferden in meinem eigenen Gefährte (einem anderen als du kennst). Als wir an die große Steige kamen (nicht Chausee), die von Löwenstein gegen das Bad führt, stieg ich aus und wollte Marie aus dem Gefährte heben. In diesem Moment wurden die Pferde rasend, ich wurde vom Rade auf die Seite geschleudert, der Kutscher stürzte vom Bocke, das Kind blieb im Gefährte, das Gefährt schlug um, die Pferde donnerten mit ihm den entsetzlichen Berg hinab, es auf der Bedachung, die Räder über sich gerichtet, fortschleifend, – ich wußte das Kind in ihm!! Ich raffte mich auf, unverletzt und folgte ganz vom Wahnsinn gepackt hinterher. Unter Trümmern des Gefährtes fand ich mein Kind in seinem Blute! Ich hob es für tot auf und trug es drei Stunden weit im fürchterlichsten Platzregen ganz wahnsinnig durch unwegsame Wälder und Felder bis nach Ilsfeld auf den Armen. Ich war ganz erschöpft.

Das Kind schien das linke Auge verloren zu haben, es hatte starke Quetschungen am linken Schlafe, das Schlüssenbein hatte es gebrochen. Gott im Himmel aber war gnädig, er trug Erbarmen. Am vierten Tage schlug es wieder das Auge auf, hell und lieblich wie es ist. Auch der Bruch des Schlüsselbeins und die Quetschungen heilten bald.“

 

Entnommen aus „Das Leben des Justinus Kerner – Erzählt von ihm und seiner Tochter Marie“, München 1967.

Wir danken herzlich den Heimatforschern Klaus Heiland und Manfred Wiedmann aus Weinsberg, die uns auf das Buch aufmerksam gemacht haben.

 

 

Walter Conrad, M. Braun


75 Jahre nach Kriegsende

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 16 vom 16. April 2020

 

 

 

 

In einem letzten Artikel über das Kriegsende im Mai 1945 wollen wir noch auf das Thema der Kriegsgefangen und Zivilarbeiter, die in Ilsfeld eingesetzt waren, eingehen. Hierzu finden sich im Ilsfelder Heimatbuch, als auch im Buch der Heilbronner Stimme „Das Kriegsende“, einige Berichte, auf die hierbei zurückgegriffen wurde.

 

 

Kriegsgefangene und Zivilarbeiter im Einsatz in der Ilsfelder Landwirtschaft

 

Im Laufe des Krieges wurden immer mehr Männer zur Wehrmacht einberufen. Zunächst waren es hauptsächlich die jüngeren Jahrgänge, nach Beginn des Russlandfeldzuges wurden jedoch auch verstärkt die Männer der mittleren Generationen einberufen. Dadurch fehlten in der Landwirtschaft die Arbeitskräfte. Von vielen Bauernhöfen wurde auch der Bauer eingezogen, der vorher den Hof geführt hatte. Somit mussten oft die Frauen das Heft in die Hand nehmen und zusammen mit Verwandten und Nachbarn den Hof bestellen, so gut es eben ging. Zur Unterstützung erhielten die Landwirtschaftsbetriebe später Kriegsgefangene von verschiedenen Kriegsschauplätzen Europas sowie zwangsverpflichtete „Zivilarbeiter“, die als Arbeitskräfte eingesetzt wurden.

 

 

Nach dem Polenfeldzug kamen 40 polnische Kriegsgefangene mit ihren Wachmannschaften nach Ilsfeld. Sie wurden im „Rößle“ untergebracht und auf 30 Bauernhöfen eingesetzt. Nach dem Frankreichfeldzug wurden die Polen als Kriegsgefangene entlassen und arbeiteten zum Teil weiter als Zivilarbeiter auf den hiesigen Betrieben.

 

(Bild links: Französische Kriegsgefangene in Ilsfeld)

 

Ins „Rößle“ kamen im August 1940 noch 21 französische Kriegsgefangene, die im April 1941 nach dem Balkanfeldzug gegen 15 serbische Kriegsgefangene ausgetauscht wurden, und an deren Stelle im März 1942 wiederum 18 französische Kriegsgefangene, die die drei Jahre bis zum Kriegsende hier blieben.

 

Im Laufe des Krieges nahm auch die Zahl der hier eingesetzten männlichen und weiblichen „Zivilarbeiter“ ständig zu. Sie waren insbesondere aus der Ukraine und dem übrigen Rußland, aus Polen und anderen europäischen Ländern. In vielen bäuerlichen Familien wurden die Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen gut aufgenommen. Sie galten zwar als Arbeitskräfte minderen Rechts und waren vielen Beschränkungen unterworfen, jedoch war die Ilsfelder Bevölkerung viel humaner zu ihnen als die Partei dies in vielen Erlassen immer wieder gefordert hatte.

 

 

Manche landwirtschaftlichen Betriebe wurden im Kriegsverlauf fast nur von Ausländern bewirtschaftet, einzelne wurden von ihnen sogar geleitet. Man war froh, dass sie da waren.

 

 

In seinem Buch „Das Kriegsende“ berichtet Uwe Jacobi über den französischen Kriegsgefangen Pierre Delsupexhe, der am 20. April 1945 als der Retter von Ilsfeld in die Geschichte eingeht. Nachdem die Amerikaner seit dem 14. April 1945 den Ort mit Luftangriffen und Artillerie bombardieren, wendet sich der Milchmann Hermann Müller an den französischen Kriegsgefangen Pierre Delsupexhe, der zwei Bauernhöfe betreut, darunter das Anwesen von Landwirt Hermann Zinsmeister. „Am besten ist es“, meint der Milchmann zu dem Franzosen, „wenn einer von euch zu den Amis raufgeht!“

 

(Bild links: Der KriegsgefangenePierre Delsupexhe)

 

Für „Peter“, wie in Ilsfeld alle zu Delsupexhe sagten, ist es eine Selbstverständlichkeit, dem Ort zu helfen. Trotz der fünf Jahre, die er seit seiner Gefangennahme im Juni 1940 unter Zwang in Deutschland arbeitete, fühlte er sich als Europäer. Von Hass hat er in Ilsfeld nichts gespürt. „Wir wurden nicht überschwänglich, aber freundlich behandelt“ so seine Aussage. Pierre Delsupexhe zieht nach dem Gespräch mit Müller seine französische Uniform an, nimmt ein weißes Tuch in die Hand und geht durch den Hohlweg hinauf zu den Amerikanern. Zu den US-Einheiten gehörte ein französischer Verbindungsoffizier.

 

 

Ihm erklärte Delsupexhe wahrheitsgetreu: „In Ilsfeld befindet sich kein deutsches Militär mehr!“

 

Doch die Amerikaner bestehen darauf, dass auch das Ortsoberhaupt als Parlamentär erscheint. Der amtierende Bürgermeister Hugo Heinrich geht daraufhin zu den Amerikanern. Die Amerikaner verlangen, dass Bürgermeister Heinrich beim Einmarsch der US-Einheit nach Ilsfeld auf dem ersten Panzer sitzt. Die Bevölkerung hatte zwischenzeitlich mit dem Abbau der Panzersperren begonnen und weiße Fahnen aus den Fenstern gehängt. Der Krieg ist vorbei.

 

Der damalige Kriegsgefangene, spätere Gutshofbesitzer Pierre Delsupexhe, der nach Kriegsende eine enge Freundschaft zur Familie Zinsmeister pflegte, erklärte beim Ilsfelder Holzmarkt 1985: „Nach so vielen Kriegen zwischen unseren Völkern können und müssen wir diese Versöhnung, besser die Freundschaft, als ein historisches Wunder ansehen. Wir hoffen, dass es ein ewiger Frieden sein wird.“

 

Quellen:              Ilsfeld, Ein Heimatbuch, herausgegeben von der Gemeinde Ilsfeld 1989

 

Das Kriegsende,  Autor: Uwe Jacobi, Heilbronner Stimme, Druckerei und Verlagsanstalt GmbH, Nov. 1985

 

                                                                       Manfred Braun

 

 


75 Jahre nach Kriegsende

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 14 vom 02. April 2020

 

 

 

Im Ilsfelder Heimatbuch findet man Berichte über den Schulalltag, die von Herbert Diener, dem langjährigen Rektor der Ilsfelder Schulen, zusammen gestellt wurden. In einem dieser Berichte geht er auch auf die Volksschule während des Krieges (1939-1945) ein. Für den nachstehenden Artikel habe ich daraus einige Passagen übernommen. Bereichert und ergänzt wird der Bericht durch die persönlichen Erlebnisse von Lothar Späth, der 1943 in Ilsfeld eingeschult wurde, nachzulesen in seiner Biografie, dem gleichnamigen Buch „Lothar Späth“.

 

 

 

Die Schulzeit während des Krieges 1939 – 1945

 

Über die Kriegszeit finden sich keinerlei Schulprotokolle oder sonstige Aufzeichnungen. Was zusammengetragen wurde, stützt sich auf die Aussagen damaliger Schüler. Die ersten Kriegsjahre hatten wohl noch keinen starken Einfluss auf den Schulalltag. Zu beklagen waren nur die häufigen Lehrerwechsel, die sich bedingt durch die Einberufung der Lehrkräfte zur Wehrmacht ergaben. Des Weiteren gab es zahlreiche Sammlungen, zu denen die Schulkinder herangezogen wurden, dazu zählten Kleidersammlungen, Sammlungen für das Winterhilfswerk und Kräutersammlungen. Schüler jener Zeit erinnern sich, dass die gesammelten Kräuter der unterschiedlichsten Arten auf den Dachböden der Schule und der Kirche getrocknet und mit Handwagen in Beilstein abgeliefert wurden. Die Schuljugend wird auch zur Bekämpfung der massenhaft auftretenden Mai- und Kartoffelkäfer herangezogen.

 

Mittwochs fanden die Heimabende der HJ des Jungvolks statt. Als dann ab 1943 öfter die Sirenen heulten und Fliegeralarm die Menschen in die Keller scheuchte, wurden die Schüler schon bei Voralarm nach Hause geschickt. Die Unterrichtsausfälle häuften sich. Wurde nachts Fliegeralarm gegeben, brauchten die Schüler am anderen Tag erst 2 Stunden später zur Schule kommen.

 

In der Biografie von Lothar Späth berichtet er über seinen Volksschulbesuch in Ilsfeld. Er wurde am 01. September 1943 in Ilsfeld eingeschult. Es gab damals zwei Klassen und zwei Lehrer. Einer von ihnen verbreitete ungebrochen Optimismus, wie es die Partei erwartete, obwohl vielen damals schon bewusst war, dass dies nicht das wahre Bild von der Kriegswirklichkeit vermittelte. Aber Lehrer Plenske war ein überzeugter Parteigenosse, der den Unterricht für die Sechsjährigen mit dem Hitlergruß und Propaganda-Formeln begann. Anschießend las Lehrer Plenske aus dem „Völkischen Beobachter“ vor.

 

 

Wehe dem, der da aufgemuckt hätte. Man durfte nicht mal husten, erinnerte sich ein Mitschüler.

 

In den letzten beiden Kriegsjahren lernten die Schüler kaum etwas, auch auf Grund der ständigen Bombenalarme und der häufigen Unterrichtsausfälle. Zudem waren die jungen Lehrer an der Front, die alten Pauker längst pensioniert.

 

 

Schreckliche Erlebnisse mussten die Kinder in den letzten Kriegsmonaten durchleben, erleben wie Menschen bei Bombenangriffen schwer verletzt wurden oder ums Leben kamen.

 

Nach Kriegsende wurde der Unterricht im Oktober 1945 wieder aufgenommen, doch unter teilweise unvorstellbaren Bedingungen.

 

 

Die beiden Schulgebäude überstanden das Kriegsende relativ unbeschädigt. In der oberen Schule (heute ist darin die Polizei untergebracht) wurde in den letzten Kriegstagen noch ein Behelfs-Lazarett eingerichtet, das aber mit dem Abzug der deutschen Soldaten wieder aufgelöst wurde. In der alten Schule fanden ausgebombte Familien vorläufig Unterkunft.

 

(Bild links: Die alte Schule an der König-Wilhelm-Straße. An dieser Stelle steht heute der Kindergarten Wunderland)

 

 

 

Quellen:  Ilsfeld - Ein Heimatbuch, Herausgegeben von der Gemeinde Ilsfeld 1989,                              

Lothar Späth, von Werner Filmer/Heribert Schwan, ECON Verlag, 1987

 

 

 

                                                                                                           Manfred Braun

 


75 Jahre nach Kriegsende Erinnerungen an die letzten Kriegsmonate 1945

Ilsfelder Nachrichten Ausgaben Nr. 11, 12, 13 vom März 2020

 

 

 

 

Im Mai diesen Jahres endete vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg. In den Medien wird immer wieder an die Zerstörung der Städte Heilbronn, Pforzheim oder Dresden erinnert. Doch wie haben eigentlich die damaligen Einwohner von Ilsfeld die letzten Monate und das Ende des Krieges erlebt?

 

Gottlob Obenland hat einige Berichte darüber verfasst, was sich damals am Ort zugetragen hat und wie stark die Ilsfelder unter dem Krieg, der Zerstörung und der Angst, gerade gegen Ende des Krieges zu leiden hatten.

 

 

 

Der Verfasser Gottlob Obenland

 

Karl Gottlob Obenland wurde am 02. Febr. 1871 in Ilsfeld geboren. Er entstammte einer Bauernfamilie und übernahm den elterlichen Betrieb. Von 1909 – 1933 war er Gemeinderatsmitglied. Dabei erwarb er sich auch Verdienste um die 1912 erfolgte Elektrifizierung des, nach dem Großen Brand 1904 wiederaufgebauten Ortes. Er war jahrelang stellvertretender Bürgermeister.

 

(Bild links: Gottlob Obenland Aufnahme entnommen aus der Broschüre „ Kleine Heimatkunde von Ilsfeld“ erschienen 1952)

 

 

 

Neben weiteren Ämtern war G. Obenland von 1922 bis 1932 Abgeordneter des Württembergischen Bauern- und Weingärtnerbundes im Württembergischen Landtag.

 

Aus Anlass seines 80. Geburtstages wurde er 1951 zum Ehrenbürger seines Heimatortes Ilsfeld ernannt. Im Alter von 95 Jahren verstarb G. Obenland am 3.6.1966

 

Erinnerungen an die Kriegszeit von 1939 bis 1945 in Ilsfeld  (Teil I)

 

Ein Bericht von Gottlob Obenland

 

 

 

Am Kirchweihsonntag, den 22. August 1939 wurde in Ilsfeld eine Batterie eines Artillerie-Regiments eingekleidet und nach mehreren Übungen in der Umgebung von Ilsfeld mit ihrem Regiment vereinigt, sie kamen an den Westwall. Nach dem Abmarsch der Artillerie war es bei uns wieder, als ob Frieden wäre, nur unterbrochen und an den Krieg erinnert, als Stellungsbefehle für junge Leute eintrafen. Vom Frühjahr 1940 an wurden wir öfters von feindlichen Fliegern überflogen, die auch Bomben abwarfen, die aber alle ins freie Feld fielen und geringen Schaden anrichteten. So ging es bis 1944, Fliegeralarm, Bombenabwürfe, die mal geringeren mal größeren Schaden in Feld und Wald anrichteten.

 

Der 4. Dezember 1944 begann bei uns mit Jabo-Angriffen (Jagbomber) auf Züge und Autos, wobei eine Person ums Leben kam. Abends um 18:45 Uhr begann schon wieder die Luftschutzsirene aufzuheulen und vom Luftschutzposten aus bemerkte man schon, dass Heilbronn das Ziel des Angriffs war. Kaum richtig ausgesprochen, begannen auch schon die furchtbaren Detonationen an unser Ohr zu dringen und nach einer weiteren viertel Stunde konnte man in Ilsfeld, durch den durch Feuerglut gefärbten Himmel die Zeitung lesen, brennende Flugzeuge schossen über uns weg und stürzten im Gemeindewald Platte nieder. Schlimmes ahnte man, aber als am frühen Morgen des 5. Dezember die ersten Flüchtlinge aus Heilbronn ankamen, erfuhr man erst das Entsetzliche. Durch tatkräftiges Eingreifen der Behörde und anderer Verbände brachte man die, die an Leib und Seele zermürbt und bar jeder Habe waren, in Ilsfeld unter. Rasch wurde eine Verpflegungsstelle eingerichtet und die zum Tod erschöpften aufgefrischt.

 

(Bild links: Heilbronn nach der Zerstörung vom 4. Dezember 1944 Aufnahme aus dem Buch „Die Kilianskirche Mittelpunkt der Stadt“ aus dem Verlagshaus der Heilbronner Stimme)

 

Von dieser Zeit an kamen keine ruhigen Tage mehr für Ilsfeld.

 

 

Am 16. Januar 1945 kam dann ganz überraschend ohne Vorkommando eine Vermessungsabteilung nach Ilsfeld, dessen Abteilungsführer Hauptmann Maschmann zugleich Ortskommandant wurde. Die Abteilung hatte die Aufgabe in der näheren und weiteren Umgebung Vermessungen vorzunehmen und durchzuführen. Nun wusste man, wieviel Uhr es geschlagen hat, die Front soll nach rückwärts verlegt werden. Ausgangs März 1945 kam dann ein Feldlazarett nach Ilsfeld, das die neue und alte Schule sowie die Notkirche und den unteren Rathaussaal belegte. Mit dem Einzug des Feldlazaretts wurde Ilsfeld täglich von Jabos überflogen und umkreist, jedoch fand vorerst kein Angriff statt. In der Nacht zum Ostersonntag hat das Feldlazarett und die Vermessungsabteilung Ilsfeld verlassen. Die letzten Wagen, die bei Tagesgrauen Ilsfeld erst verlassen konnten, wurden wie der Blitz aus heiterem Himmel von den ständig kreisenden Jabos auf der Straße zwischen Ilsfeld und Pfahlhof angegriffen und zum Teil in Brand geschossen. Am anderen Tag kamen Volkssturmmänner und belegten die gleichen Räume, die das Feldlazarett innehatte. In derselben Nacht kamen noch Infanterie, SS, Pioniere und Artillerie, so dass Ilsfeld einem Heerlager glich. Noch nicht genug, am frühen Morgen kam ein Abteilungsstab eines Artillerieregiments und baute seinen Gefechtsstand auf. Ein Offizier bemerkte so nebenbei, unsere Batterien werden wir nicht in der Nähe von Ilsfeld aufstellen, die Bevölkerung könne darüber ganz beruhigt sein. Ilsfeld passiere durch die Artillerie nichts, was sich aber als Trugschluss erwies, denn am anderen Morgen donnerte schon eine Flakbatterie vom Gentach aus über Ilsfeld weg. Eine weitere Batterie stand in der Steinhälde, Rappen, Durstlichwald und Plattenwald, sowie Granatwerfer in und um Ilsfeld herum. Im Durstlichwald wurden durch feindliches Artilleriefeuer mehrere Hektar Hochwald vernichtet.

 


Erinnerungen an die letzten Kriegsmonate 1945 Teil II

 

Die letzten Kriegstage im April 1945

 

Nun kamen für Ilsfeld schwere Tage. Am 11. April 1945 erwiderte die feindliche Artillerie das Feuer, das an diesem Tag ein Opfer forderte, das in der Nähe des Ortes pflügte. Am 12. April bekamen wir Artilleriefeuer aus Richtung Lauffen am Neckar, es forderte drei Opfer. Am 13. April erhielten wir Artilleriefeuer aus Richtung Heilbronn und Wildeck, welches wieder zwei Opfer forderte. Die Flieger schossen auch auf die Bauern, welche die Frühjahrssaat durchführten. Oft mussten wir unter Bäumen oder in Hohlwegen Deckung suchen. Ein kleines Beobachtungsflugzeug flog täglich in geringer Höhe ganz langsam umher und suchte die ganze Gegend ab. Ich höre heute noch das Gesumme in den Ohren.

 

Nun kam der 14. April 1945, der schwarze Tag von Ilsfeld. Dieser begann schon in aller Frühe mit Artillerie-Beschuss und um halb 12 Uhr mit einem schweren Jabo-Angriff, dem sechs Menschen, mehrere Wohnhäuser und Scheunen zum Opfer fielen. Am gleichen Tag nachmittags erfolgte ein zweiter Jaboangriff, so dass man an Löscharbeiten kaum denken konnte. Bei diesem Angriff wurden schwere Spreng- und Brandbomben abgeworfen. Diesem Angriff fielen auch wieder mehrere Wohnhäuser und Scheunen zum Opfer und es gab auch große Viehverluste.

 

Am 15. April 1945 vormittags mussten auf Befehl der NSDAP Panzersperren und Panzerfallen gebaut werden, wobei der Ilsfelder Volkssturm eingesetzt wurde. Diesem Befehl wurde nur mit Widerwillen Folge geleistet und von Seiten der NSDAP mit Erschießen gedroht, ja es kam sogar soweit, dass ein Mann rief: „Hier stehe ich, ihr könnt mich ruhig erschießen, solch einen Unsinn mach ich nicht mit.“

 

In der Nacht vom 15. auf 16. April fluteten Unmengen von deutschen Truppen durch Ilsfeld zurück in Richtung Großbottwar und Marbach. Als die letzten Truppen durchgeschleust waren, wurden von Pionieren, trotz allem Bitten, vormittags um 9 Uhr die Schozachbrücken gesprengt. Von dieser Zeit an stand der südliche Ortsteil ständig unter Artilleriefeuer. Am gleichen Tag nachmittags 3 Uhr erfolgte der dritte Jabo-Angriff, dem wieder vier Zivilpersonen und zwei Soldaten zum Opfer gefallen sind. Zudem wurden zahlreiche Wohnhäuser und Scheunen zerstört und es gab große Viehverluste, so dass sich die Zahl der zerstörten Häuser auf 52 Wohnhäuser, 102 Scheunen und Nebengebäude erhöhte. Die im Brandschutt liegenden Gebäude waren zum größten Teil 40 Jahre vorher, nach dem großen Ilsfelder Brand, gebaut worden. Große Not war am Ort. Die Söhne oder Schwiegersöhne vieler der Abgebrannten waren im Felde oder in Gefangenschaft oder verwundert oder gefallen. Daheim waren Alte und Greise, Mütter und Kinder. Die Abgebrannten fanden notdürftig Unterkunft und Lebensmittel bei denen, die noch verschont geblieben sind. Das obdachlose Vieh wurde in Scheunen und Schuppen untergebracht und wurde mit dem noch vorhandenen Heu und Stroh gefüttert.

 

Am 17. April 1945, welch Schandfleck deutscher Geschichte, wurden auf Anordnung der NSDAP und der Wehrmacht die Ilsfelder Jungen im Alter von 16–17 Jahren wie eine Herde Schafe zusammengetrieben und von den zurückgehenden deutschen Soldaten mitgenommen. Ob dieser Akt ein zum letzten brutal austobenden Terror war oder Wahnsinn war, soll der Geschichte überlassen sein. Aber wer die Mütter, deren Mann schon Jahre im Feld stand, gesehen hat, als man ihr Kind ohne Erbarmen wegschleppte, der weiß, welch bitterer Hass gegen diese Menschen entstand, welche bei dieser Aktion mitwirkten. Der 18. und 19. April war für Ilsfeld vollends eine Hölle geworden, denn die feindliche Artillerie schoss ständig nach Ilsfeld herein.

 

 

 

Das Ende des Krieges 1945  Teil III

 

Am 20. April 1945 wurden dann am Bildstöckle feindliche Panzer gesichtet. Die Ortseinwohner befürchteten das Schlimmste und verlangten, die weiße Fahne zu hissen. Bürgermeister Heinrich kam in große Not. Was war zu tun? SS war in Arbeitskleidung im Ort und der Ortsgruppenleiter blieb stur. Nun rissen die Einwohner die Panzersperren heraus und revolutionierten: „Muss voll das ganze Dorf kaputt sein?“ Da war ein französischer Gefangener bei einem hiesigen Bauern. Der konnte Englisch. Er ließ sich bewegen und ging über den Krummenlandweg hinauf zu den Panzern.

 

 

(Bild links: Amerikanischer Spähtrupp)

Als er in die Nähe der Panzer kam, winkte er mit einem weißen Taschentuch und rief auf Englisch: „Der Ort ist nicht besetzt, auch keine Waffen oder Soldaten sind im Ort.“ Der Offizier erklärte ihm, der Bürgermeister solle kommen. Inzwischen war auch Kaufmann Kachel, der damals Landjäger war, oben und erhielt, nachdem er vorher abgurten und die Waffen hat ablegen müssen, die gleiche Antwort. Da kam auch schon Herr Bürgermeister Heinrich und bestätigte, dass der Ort nicht besetzt, sondern frei sei von Militär und auch von Panzern, die Barrikaden sofort entfernt und die Durchfahrt frei gemacht werde.

 

Jetzt war auch der Ortsgruppenleiter gezwungen, mit einer weißen Fahne, die ein Arbeiter hinter ihm hertrug, zu den Panzern zu marschieren. Die Erlösung war gekommen.

 

Auf dem Kirchturm wehte die weiße Fahne, und von den noch stehenden Häusern wurden weiße Tücher herausgehängt. Der Krieg ging vollends zu Ende, aber leider stockte aller Verkehr.

 

 

Die Deutschen hatten beim Rückmarsch alle Brücken über Bäche und in Lauffen und Heilbronn auch die Brücke über den Neckar gesprengt. Auch die Bahngleise waren vom Beschuss zerrissen und das Zügle stand stark demoliert drüben beim Gentach.

 

(Bild links: Notgemeinschaft: Ein GI hilft verwundetem Landser

 

Quelle: „Das Kriegsende“ von Uwe Jacobi,  Verlag Heilbronner Stimme)

 

 

 

 

Doch der deutsche Ordnungssinn und der stählerne Arbeitswillen brachten bald wieder bessere Zustände im Ort und Land. Jedoch waren noch schwere Zeiten durchzumachen, bis unser Ort wieder aufgebaut war und auch unsere noch lebenden Soldaten nach Hause kamen. Leider sind bis heute noch nicht alle daheim. Aber auch die Gemeinde war in Not. Bürgermeister Heinrich hatte abgedankt, und unsere Gemeinde war verwaist. Nun erhielten wir kommissarisch eingesetzte Bürgermeister und mussten, da diese keine Fachleute waren, große Enttäuschungen erleben. Es fehlte zum Wiederaufbau ein richtiges Oberhaupt. 1948 kam die längst ersehnte und erwünschte Bürgermeisterwahl durch die Wählerschaft. Unter den vielen Kandidaten fanden wir den richtigen Mann mit unserem heutigen Bürgermeister Härle, der ja früher schon als Gehilfe auf dem hiesigen Rathaus tätig war.

 

Dieser brachte bald Ruhe und Ordnung in unsere Gemeinde hinein. Ein neuer Impuls bei der Einwohnerschaft machte sich überall bemerkbar. Auch die vielen Evakuierten und Flüchtlinge fanden wieder vertrauen.

 

Der Wiederaufbau der vielen zerstörten Häuser und Wirtschaftsgebäude ging erstaunlich schnell. Heute sind nur noch wenige Ruinen zu sehen. Man mag darin auch den ungebrochenen Arbeits- und Lebenswillen der Menschen erblicken. Friedlich tönen wieder die neuen, schweren Glocken über die Fluren und jedermann ist von dem heißen Wunsch beseelt, es möge nie wieder ein Krieg kommen.

 

 

(Bild links: Opfer der Luft- und Artillerieangriffe im April 1945)

Manfred Braun


Rückblick  Dorfweihnacht in Auenstein - Besichtigung der Wagnerwerkstatt

Ilsfelder Nachrichten Ausgabe Nr. 1/2 vom 09. Jan. 2020

Viele interessierte Besucher und Besucherinnen kamen am 4. Advent in die ehemalige Werkstatt von Wagnermeister Wilhelm Klemm in der Eisenbahnstraße in Auenstein, um die alten Maschinen und Werkzeuge der Wagnerei in Augenschein zu nehmen.

 

 

Unter den fachkundigen Erläuterungen von Jochen Brenner und der Unterstützung von Claus Gross und Astrid Schulz erhielten die Besucher einen Einblick in die Arbeit eines Wagners. So konnte man sehen, wie früher Räder mit Holzspeichen für die Pferdefuhrwerke hergestellt wurden, Schubkarren aus Holz zusammengebaut oder aber auch Holzbeine für Stühle und Tische in der Schreinerei zugesägt wurden. Viele Stühle wurden so gefertigt, dass sie der Körpergröße des Nutzers angepasst wurden. Aber auch selbst einfache Vorrichtungen, die zum Beispiel für die Herstellung und das Pressen von Landjägern genutzt wurden, entstanden in der Wagnerei.

 

(Bild links: Wagnermeister Wilhelm Klemm)

 

Viele Werkzeuge die man für die Arbeit benötigte oder die Arbeit erleichtert haben, wurden früher selbst konstruiert und hergestellt.

 

An der Wand in der Werkstatt hängt ein Schreiben der Handwerkskammer Heilbronn, gerichtet an die Meisterprüflinge des Jahres 1947. Darin informiert die Handelskammer, dass die Meisterdiplome erst ausgehändigt werden, sobald der Prüfling 2 kg Altpapier abgeliefert hat, denn davon ist die Fertigstellung des Meisterprüfungsdiploms abhängig, so die Mitteilung des Schreibens. Dies lässt darauf schließen, dass Papier in den Nachkriegsjahren sehr knapp war.

 

Bei den älteren Besuchern wurden alte Erinnerungen wach, für die Jüngeren war der Besuch ein Einblick in die Geschichte eines Handwerks, das heute beinahe ausgestorben ist.                 

                                                                                                                                                                                                                                                                     M. Braun